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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Es ist heute ein Gemeinplatz, daß zwischen Technologie <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

trotz heterogener Wurzeln <strong>und</strong> verbleibender institutioneller Unterschiede<br />

nicht mehr substantiell, sondern nur noch kontextuell (nämlich<br />

durch Rekurs auf Orientierungskomplexe) unterschieden werden kann<br />

(Layton 1977, Böhme, van den Daele, Krohn 1978, Barnes 1982). Aber es<br />

wird dabei durchgängig übersehen, daß damit keine Identifikation ausgesprochen<br />

wird, die streng genommen einen der beiden Ausdrücke überflüssig<br />

oder an jeder Stelle des anderen einsetzbar machen würde. Unter der<br />

Hand wird auf einer zumindest analytischen Trennung beharrt, deren Bestimmung<br />

allerdings geschenkt wird. Aber gerade die Bestimmung von<br />

Gemeinsamkeit <strong>und</strong> Differenz ist der Schlüssel für ein Verständnis der technologischen<br />

Rationalität. Die wichtigste <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legende Gemeinsamkeit<br />

besteht darin, daß Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie über die Kategorie der<br />

Forschung an denselben operativen Wahrheitsbegriff geb<strong>und</strong>en sind. Dieser<br />

Wahrheitsbegriff besagt, daß die Erkenntnis von etwas in der Angabe der<br />

Möglichkeiten seiner Erzeugung besteht. Ein Naturgesetz ist „mehr <strong>und</strong><br />

mehr nur eine Angabe über die Möglichkeit <strong>und</strong> den Ausfall von Experimenten;<br />

ein Gesetz unserer Fähigkeit, Phänomene hervorzubringen" (von<br />

Weizsäcker 1960, 173). Es gibt Wissensbereiche, in denen die Diskrepanz<br />

über lange Zeit groß ist (z.B. die Erklärung der Planetenbahnen durch die<br />

Gravitation <strong>und</strong> die Erzeugung von künstlichen Planeten; z.B. alte Medikamente,<br />

deren Wirkungsweise unerklärt ist). Sieht man von zahlreichen<br />

methodologischen Verfeinerungen ab, <strong>und</strong> liest die Äquivalenz von Erklärung<br />

<strong>und</strong> Erzeugung als ein regulatives Ideal, dann lassen sich zwei gr<strong>und</strong>legende<br />

<strong>und</strong> exemplarisch leicht belegbare Aussagen formulieren: Jede<br />

wissenschaftliche Wirklichkeitserkenntnis entwickelt ein Potential zur<br />

Konstruktion von Realität auf theoretischer Gr<strong>und</strong>lage, — <strong>und</strong> das heißt<br />

zur Technologie. Und umgekehrt, jede Entwicklung von Technik <strong>und</strong> Technologie<br />

kann ein wissenschaftliches Interesse nach Erklärung oder nach<br />

rationaler Rekonstruktion des erfolgreichen Funktionierens nach sich<br />

ziehen. Für die Wissenschaft spielt es im Prinzip keine Rolle, ob sich die<br />

Realitätserklärung auf naturgegebene oder auf technische Wirklichkeiten<br />

bezieht. In ihren Theorien besteht zwischen beiden Realitäten keine Grenzziehung.<br />

Für die Technologie ist es im Prinzip gleichgültig, ob sie auf wissenschaftlich-theoretischer<br />

Gr<strong>und</strong>lage oder „durch Versuch- <strong>und</strong> Irrtum"<br />

arbeitet; die Entscheidungen werden pragmatisch getroffen.<br />

Damit sind implizit die Unterschiede zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie<br />

schon angesprochen. Auf ihren allgemeinsten Nenner gebracht bestehen<br />

sie darin, daß Wissenschaft letztlich analytisch <strong>und</strong> reduktionistisch<br />

orientiert ist, Technologie dagegen synthetisch <strong>und</strong> holistisch. Diese Unterscheidung<br />

lehnt sich an historisch eingespielte Klassifikationen an, — z.B.<br />

der in analytische <strong>und</strong> technische Mechanik, in analytische <strong>und</strong> synthetische<br />

Chemie in (reduktionistische) genetische Biologie <strong>und</strong> (synthetische)<br />

Gentechnologie. Sie ist auch darauf abbildbar, daß in den Wissenschaften<br />

möglichst einfache Theorien <strong>und</strong> idealisierte Modelle bevorzugt werden,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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