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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Das Leben in Städten — so lassen sich die Überlegungen zusammenfassen<br />

— weist Züge auf, die von kollektiver Konsumtion <strong>und</strong> von basispolitischer<br />

Interessendurchsetzung in der Form <strong>und</strong> Dynamik der Zentralität<br />

geprägt sind. Die Formkraft des Städtischen hat mich dazu veranlaßt,<br />

lieber von städtischen Lebensformen als von Lehenszusammenhängen<br />

zu sprechen. Die Lebensformen mögen latent auf Klassenlage oder<br />

Schichtzugehörigkeit beruhen. In ihrer Praxis, in ihrer Ausdrucks- <strong>und</strong> Organisationsfähigkeit<br />

werden sie stets von der je wirksamen Kraft der Urbanen<br />

Form bestimmt — eine Betrachtungsweise, die die Suche nach neuen<br />

sozialstrukturellen Konstitutionsbedingungen nahelegt. Zudem „drängt"<br />

der Begriff „Lebensformen" danach, vor allem auf Minoritäten angewendet<br />

zu werden, die sich gesellschaftlich dadurch Raum verschaffen wollen, daß<br />

sie ihre Lebensauffassungen besonders deutlich (<strong>und</strong> geformt) darstellen —<br />

als Lebensentwürfe, die exemplarisch praktiziert werden.<br />

3. Die Potentialität des Städtischen<br />

Dem englischen Kulturtheoretiker Raymond Williams verdanken wir einige<br />

hervorragende literaturtheoretische Analysen der englischen Großstadtliteratur<br />

des 19..Jahrh<strong>und</strong>erts. Auch dort ist zunächst von Trennung <strong>und</strong> Zerfall<br />

die Rede, von der „Auflösung der Gesellschaft gerade im Moment ihrer<br />

Aggregation". Aber Williams entdeckt in dieser Literatur (insbesondere von<br />

Dickens) nicht nur kompensierende Integrationsstrategien, sondern auch<br />

„neue soziale Denk- <strong>und</strong> Organisationsformen", Elemente der Demokratisierung.<br />

Die neue Lokalverwaltung, die Parlamentsreform, die Ausbildungsregelungen,<br />

der Kulturausbau, nicht zuletzt die Arbeiterbewegung — alle<br />

sen — weist Züge auf, die von kollektiver Konsumtion <strong>und</strong> von basispolitischer<br />

Interessendurchsetzung in der Form <strong>und</strong> Dynamik der Zentralität<br />

geprägt sind. Die Formkraft des Städtischen hat mich dazu veranlaßt,<br />

lieber von städtischen Lehensformen als von Lebenszusammenhänte<br />

haben wir nach anderen Erwiderungen der Stadt zu suchen. Aus methodologischen<br />

Gründen ließe sich sagen, die „urbane Praxis" allein — ihre<br />

Brüche, ihre Erfahrungen, ihre Formen — zeige den künftigen <strong>gesellschaftliche</strong>n<br />

Gehalt der Städte an. Dies wäre auch deswegen naheliegend, weil die<br />

weiter wachsende Zentralisierung <strong>gesellschaftliche</strong>r <strong>und</strong> politischer Macht<br />

es schwerlich erlaubt, eine gesellschaftlich bedeutsame Potentialität ausgerechnet<br />

aus den Städten zu erhoffen, ausgerechnet aus den Sphären der<br />

kollektiven Konsumtion <strong>und</strong> der Interessenwahrnehmung von „unten".<br />

Aber wäre das nicht vorschnell? Würde eine solche Haltung der Negativität<br />

nicht leugnen, daß die Städte bis heute immer wieder wichtige Impulse<br />

hervorbringen, <strong>und</strong> daß viele neue Erfahrungen gerade in den genannten<br />

Sphären der „Urbanen Praxis" gemacht werden? Die Antwort besteht in<br />

der methodologischen <strong>und</strong> theoretischen Perspektive, die wir auswählen.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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