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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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die „Ges<strong>und</strong>heitstage", die sich offen als Konkurrenz zur professionellen<br />

Öffentlichkeitsarbeit der Ärztetage konstituierten —, ward die Mobilisierung<br />

der Laien Alltagspraxis, gewinnt die Deprofessionalisierung der Hilfen konkrete<br />

Gestalt 4 .<br />

Warum im Bildungsbereich, in dem die öffentliche Diskussion über Deprofessionalisierung<br />

begonnen hat — erinnert sei an die Unterstützung <strong>und</strong><br />

Weiterführung von Illich's „Entschulung der Gesellschaft" durch Hartmut<br />

von Hentig s — eine Laienbewegung letztlich ausgeblieben ist, kann hier<br />

dahingestellt bleiben. Die skizzierte Entwicklung im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong><br />

Sozialbereich rechtfertigt es, von Deprofessionalisierung der Hilfen <strong>und</strong> Mobilisierung<br />

der Laien als einem <strong>gesellschaftliche</strong>n Prozeß zu sprechen. Dieser<br />

Prozeß zeichnet sich durch die folgenden Merkmale aus.<br />

1. Die gr<strong>und</strong>legenden Wertorientierungen professionellen Handelns büßen<br />

ihre legitimierende Funktion ein. Professionelles Handeln orientiert sich<br />

an wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> beruht auf der Anwendung des technischen<br />

Fortschritts. Wissenschaftlich-methodischer Fortschritt <strong>und</strong> technische<br />

Potenzierung werden mit einer Steigerung professioneller Handlungschancen<br />

gleichgesetzt. Dieses Gleichsetzen der Qualität professionellen<br />

Handelns mit der Anwendung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts<br />

löst sich auf. Es kommt zur Abwendung von der kulturellen Tradition der<br />

Profession <strong>und</strong> zur Suche nach alternativen Identifikationen für die Qualität<br />

professionellen Handelns.<br />

2. Die Bedürfnisse, denen die professionelle Arbeit dienen soll, beanspruchen<br />

Geltung als eine Instanz der sozialen Kontrolle <strong>und</strong> der Bewertung<br />

professioneller Dienstleistungen. Sie wollen Prioritäten setzen. Die Gleichsetzung<br />

einer Ausweitung des professionellen Dienstleistungsangebots mit<br />

einem steigenden Niveau der Befriedigung ges<strong>und</strong>heitlicher <strong>und</strong> sozialer<br />

Bedürfnisse verliert ihre Glaubwürdigkeit. Anbieter- <strong>und</strong> Nachfrageorientierung<br />

kommen in der Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialpolitik nicht länger zur Dekkung<br />

6 .<br />

3. Die Profession spaltet sich, es kommt zur Bildung rivalisierender Eliten<br />

mit divergierenden professionspolitischen Zielsetzungen.<br />

4. Die miteinander rivalisierenden Eliten der Profession suchen die Laien<br />

zu mobilisieren, um die Legitimation ihres Führungsanspruches zu erhalten<br />

<strong>und</strong> zu verbessern.<br />

5. Die Laien organisieren Leistungen in Tätigkeitsfeldern, die von den Professionen<br />

beansprucht werden. Sie legitimieren ihre Aktivitäten in einer die<br />

Profession zweifach diskreditierenden Weise. Sie begründen ihre Initiativen<br />

mit den Defiziten professioneller Versorgung, Selbsthilfegruppen werden<br />

dort tätig, wo die professionelle Versorgung versagt, <strong>und</strong> sie bringen ein<br />

alternatives Prinzip der Leistungserbringung zum Tragen: Selbst- bzw. gegenseitig<br />

erbrachte Leistungen als Alternative zu beruflich-entgeltlichen<br />

Dienstleistungen .<br />

7<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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