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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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in solchen Gesellschaften eingeengt, die schon einen hohen Grad an struktureller<br />

Komplexität, ökonomischer <strong>und</strong> politischer Differenzierung erreicht<br />

haben. In diesen Gesellschaften können religiöse Normen <strong>und</strong> Orientierungen<br />

nicht so erfolgreich <strong>und</strong> allgemein vermittelt werden, wie mythisch-religiöse<br />

Weltsichten in archaischen Gesellschaften vermittelt werden<br />

konnten. In Gesellschaften, die ein bestimmtes Maß an struktureller Komplexität<br />

überschritten haben, kann eine bestimmte religiöse Wirklichkeitskonstruktion<br />

nicht mehr allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen bzw.<br />

durchsetzen. Eine religiös homogene Gesellschaft mit einer verbindlichen<br />

Organisation des Bewußtseins bedarf einer hochgradig integrierten Gesellschaftsstruktur,<br />

die beinahe ausschließlich auf unmittelbare Sozialbeziehungen<br />

gegründet ist. Ihr Fortbestand setzt verhältnismäßig gleichartige<br />

Sozialisationsprozesse voraus.<br />

Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte waren diese<br />

Bedingungen wenigstens annähernd erfüllt. Die gesamte Gesellschaftsstruktur<br />

stützte eine sakrale Wirklichkeit, während der sakrale Kosmos<br />

die gesamte Gesellschaftsstruktur legitimierte. Religiöse Repräsentationen<br />

durchdrangen in archaischen Gesellschaften die verschiedensten Institutionen,<br />

aber schon in etwas komplexeren Gesellschaften — in den frühen<br />

Hochkulturen wie schon in etwas „einfacheren" Stammeskönigtümern —<br />

entfaltete der sakrale Kern der Wirklichkeitskonstruktion eine starke<br />

Verbindung zu bestimmten Institutionen, besonders zur Herrschaftsorganisation.<br />

Die religiöse Institutionalisierung der Religion aber veränderte das<br />

Verhältnis von heiligem Kosmos <strong>und</strong> Sozialstruktur gr<strong>und</strong>legend. Eine besondere<br />

Art von Institution übernahm es, den sakralen Kern der Wirklichkeitskonstruktion<br />

aufrechtzuerhalten <strong>und</strong> zu vermitteln. Die Religion nahm<br />

einen klar bestimmten <strong>und</strong> begrenzten Raum der Sozialstruktur ein.<br />

Die institutionelle Spezialisierung der Religion war eine vorwiegend<br />

auf den Westen beschränkte Entwicklung. Sie entstand unter eigentümlichen<br />

Bedingungen. Während einer erstaunlich langen Vorphase der Entwicklung<br />

der modernen Industriegesellschaften war die institutionelle<br />

Spezialisierung der Religion mit etwas verknüpft, das einer allgemeinen<br />

<strong>gesellschaftliche</strong>n Verbreitung der institutionell spezialisierten Religion<br />

verhältnismäßig nahe kam.<br />

Als das weströmische Reich zerfiel, hatte das Christentum schon<br />

einen hohen Grad an institutioneller Spezialisierung erreicht. Den Hintergr<strong>und</strong><br />

des Christentums bildeten der stark ausgesonderte sakrale Kosmos<br />

des Alten Israel, daneben eine noch nicht dagewesene Entmythologisierung<br />

<strong>und</strong> Entpersönlichung der Natur <strong>und</strong> eine beginnende Sakralisierung der<br />

individuellen — wenn nicht privatisierten — Beziehung zur Transzendenz.<br />

Dazu kam der hellenistische <strong>und</strong> spätrömische Pluralismus der Weltsichten.<br />

Religiöse Sondergemeinschaften sprossen aus dem Boden. Auch die politischen<br />

<strong>und</strong> ökonomischen Institutionen hatten eine beträchtliche funktionale<br />

Selbständigkeit erlangt. In der Nach-Konstantinischen Epoche wurde<br />

das Christentum nicht nur von herausragenden theologischen Experten, die<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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