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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Ordnungen orientierte Vergleich — als Längsschnitt- <strong>und</strong> als Querschnittvergleich<br />

—, den Beweis für das Bestehen einer „Chance" zu erbringen, daß unter<br />

den Bedingungen langandauernder Arbeitslosigkeit in Orten wie Marienthal<br />

<strong>und</strong> vergleichbaren Orten (vgl. zu entsprechenden einschränkenden Bemerkungen<br />

Jahoda u.a., 1975, S. 25 f. oder S. 96 f.) „das Handeln den<br />

sinnadäquat erscheinenden Verlauf tatsächlich mit angebbarer Häufigkeit<br />

oder Annäherung ... zu nehmen pflegt." (Weber, Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

I, S. 9).<br />

4. Anmerkungen zum Begriff der Kausalerklärung<br />

Ich würde abschließend gern einige Bemerkungen zum Begriff der Kausalerklärung<br />

machen <strong>und</strong> damit zugleich auf die Ausgangsfragen dieses Vortrages<br />

zurückkommen: Soll oder kann man im Rahmen qualitativer Forschung<br />

Erklärungen oder Prognosen erarbeiten <strong>und</strong> insbesondere: Soll oder kann<br />

man kausal erklären?<br />

Wenn man sich am Sprachgebrauch der neo-positivistischen Wissenschaftstheorie<br />

<strong>und</strong> des kritischen Rationalismus orientiert, wird man sagen<br />

müssen, daß Kausalerklärungen in qualitativen Untersuchungen keine Rolle<br />

spielen. Denn Kausalerklärungen werden in dieser Tradition bekanntlich<br />

mit deduktiv-nomologischen Erklärungen identifiziert. In der Formulierung<br />

Poppers: „Einen Vorgang 'kausal erklären' heißt, einen Satz, der ihn beschreibt,<br />

aus Gesetzen <strong>und</strong> Randbedingungen deduktiv ableiten." (1966,<br />

5. 31).<br />

In diesem Sinne wird in der Marienthal-Untersuchung wie auch in vielen<br />

anderen sozialwissenschaftlichen Untersuchungen — auch solchen, die mit<br />

Hilfe standardisierter Verfahren arbeiten — genau nichts erklärt, wie dies<br />

von Lazarsfeld in der Einleitung zur Neuauflage von 1960 auch expliziert<br />

wird: In der Marienthal-Untersuchung sei es nicht darum gegangen, die beschriebenen<br />

Phänomene der Lähmung oder des Zeitzerfalls „auf andere<br />

Gesetze oder präzise Zusammenhänge" zurückzuführen (1975, S. 17).<br />

Ebenso handele es sich bei den Folgerungen, die man aus den generalisierenden<br />

Formeln wie etwa der von der „müden Gemeinschaft" ableiten könne,<br />

keineswegs um logische Schlüsse. Die aus den integrierenden Interpretationen<br />

folgenden Hypothesen werden „nicht mit logischer Notwendigkeit"<br />

abgeleitet, sondern „mit großer Plausibilität <strong>und</strong> geleitet von zusätzlichem<br />

Wissen <strong>und</strong> allgemeiner Erfahrung" (ebenda).<br />

Ist es vor diesem Hintergr<strong>und</strong> also erforderlich, den Begriff der Kausalerklärung<br />

aus der Wissenschaftssprache der mit offenen Verfahren arbeitenden<br />

Sozialforschung zu verbannen? Diejenigen Autoren, die meinen, daß es<br />

in der qualitativen oder interpretativen Sozialforschung nicht um die Erarbeitung<br />

von Kausalerklärungen gehe, scheinen dieser Auffassung zu sein<br />

<strong>und</strong> binden sich damit noch in der Negation an die Begrifflichkeit des Neo-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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