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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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qualitativen Studien werden in der Marienthal-Untersuchung sogar relativ<br />

viele Informationen in dieser direkt quantifizierenden Form mitgeteilt, wobei<br />

es zum Anspruch der Autoren gehört, auch „komplexe Erlebnisweisen"<br />

quantitativ zu erfassen (vgl. Lazarsfeld, 1960, S. 14; vgl. entsprechend Zeisel,<br />

1975, S. 137 ff.). Paul Lazarsfeld schreibt hierzu in seinem Vorwort zu<br />

der neuen Auflage von 1960: „Der oft behauptete Widerspruch zwischen<br />

'Statistik' <strong>und</strong> phänomenologischer Reichhaltigkeit war sozusagen vom Anbeginn<br />

unserer Arbeiten 'aufgehoben', weil gerade die Synthese der beiden<br />

Ansatzpunkte uns als die eigentliche Aufgabe erschien." (1975, S. 14)<br />

Ein Beispiel für den Versuch, komplexere Erlebnisweisen quantitativ zu<br />

erfassen, welches zugleich zum inhaltlichen Kern der Studie hinführt, ist<br />

die Übersicht über die sogenannten Haltungstypen (vgl. vor allem Jahoda<br />

u.a., 1975, S. 64 ff.): Hier werden auf der Basis biographischer Interviews,<br />

von Informationen zum Tagesablauf oder zur Haushaltsführung in den Familien<br />

typische Formen des Umgangs mit der Arbeitslosigkeit herausgearbeitet,<br />

an Falldarstellungen erläutert <strong>und</strong> — bezogen auf 100 genauer analysierte Familien<br />

— in ihren quantitativen Relationen dargestellt. Aus zusätzlichen Informationen<br />

über die anderen Familien des Dorfes schließen die Autoren,<br />

daß in Marienthal insgesamt 23 Prozent der Familien als ungebrochen gelten<br />

können, 69 Prozent als resigniert <strong>und</strong> acht Prozent als verzweifelt oder<br />

apathisch (S. 74). Die resignierte Haltung, deren wichtigstes Kennzeichen<br />

der Verlust der Zukunftsperspektive <strong>und</strong> die Aufgabe von Planung ist, wird<br />

demnach als die bestimmende beschrieben, die das Ortsleben nach dem Eindruck<br />

der Autoren sogar noch stärker prägt, als es die Zahlen ausdrücken.<br />

Es dominiert im unmittelbaren Kontakt mit der Bevölkerung der „Eindruck<br />

einer als Ganzes resignierten Gemeinschaft, die zwar die Ordnung der Gegenwart<br />

aufrechterhält, aber die Beziehung zur Zukunft verloren hat" (S.<br />

75). An anderer Stelle reden die Autoren auch von einer „müden Gemeinschaft"<br />

(vgl. S. 55 ff.) <strong>und</strong> sie stellen in der Einleitung „die lähmenden<br />

Wirkungen" der Arbeitslosigkeit in den Vordergr<strong>und</strong> (S. 26).<br />

Über diese „lähmenden Wirkungen" wird im Untersuchungsbericht anhand<br />

einer Vielzahl weiterer Fragen <strong>und</strong> Indikatoren gesprochen. Wichtig<br />

ist dabei vor allem der „Zeitzerfall" (S. 25, S. 83 ff.), der bei arbeitslosen<br />

Männern <strong>und</strong> Frauen unterschiedlich ausgeprägt ist, <strong>und</strong> das geringe Niveau<br />

von Ansprüchen <strong>und</strong> Aktivitäten (S. 25; S. 55 ff.), das sich im politischen<br />

Bereich ebenso zeigen läßt wie im kulturellen Bereich.<br />

Da es hier primär um eine methodologische Auseinandersetzung mit der<br />

Studie geht, mag dieser knappe Überblick über das, was aus deskriptiver<br />

<strong>und</strong> interpretierender Ebene als relevantes Ergebnis der Arbeitslosigkeit in<br />

der Studie hervorgehoben wird, genügen. Im folgenden ist zu fragen, ob <strong>und</strong><br />

in welcher Weise die Autoren ihre Erklärungsansprüche einlösen <strong>und</strong> ob es<br />

ihnen gelingt, die dem Bericht zugr<strong>und</strong>e liegende kausale Deutung zu belegen.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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