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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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einer Epoche des mythisch-verklärten technischen Fortschritts ein Zeitalter<br />

des vernünftigen Umgangs mit Technik. Der Mythos von einer rationalen<br />

Technik im Sinne der möglichen <strong>und</strong> legitimen Substitution vorgef<strong>und</strong>ener<br />

Natur durch konstruierte <strong>und</strong> industriell produzierte Natur ist zentral im<br />

kulturellen System moderner Gesellschaften (dazu Lenk 1982). Auf dieser<br />

Folie treiben zu mächtigen Komplexen zusammengeschlossene wissenschaftlich-industriell-politische<br />

Akteure erratisch, aber irreversibel entsprechende<br />

Projekte voran. Die partiellen <strong>und</strong> widersprüchlichen Rationalitätsmuster<br />

dieser Akteure scheinen dabei stets hinter den neuen Kontrollerfordernissen,<br />

die ihre Projekte schaffen, zurückzubleiben. Und es könnte dieser<br />

mehr oder weniger große, mehr oder weniger disproportional wachsende<br />

Überschuß an Kontrollerfordernissen sein, der die Dynamik der Entwicklung<br />

maßgeblich speist.<br />

So gesehen paßt das vielgebrauchte Bild im Titel dieses Beitrags nicht<br />

so recht. Die technische Entwicklung ist nicht eingespannt zwischen eine<br />

geheimnisvolle Eigendynamik <strong>und</strong> einen öffentlichen Diskurs. Sie ist vielmehr<br />

durch mehrere Eigendynamismen gekennzeichnet: Eine Eigendyna­<br />

7<br />

mik der Beantwortung neuer naturwissenschaftlich-ingenieurtechnischer<br />

Kontrollprobleme durch mehr Naturwissenschaft <strong>und</strong> Ingenieurtechnik;<br />

eine Eigendynamik der Beantwortung soziokultureller Störungen <strong>und</strong> Enteignungen<br />

durch diskursive Prozesse, durch Etablierung von Widerstand<br />

<strong>und</strong> U<strong>mb</strong>au kultureller Deutungsmuster; eine Eigendynamik schließlich<br />

der Beantwortung von Legitimationsverlusten, Machtverlusten, Verlusten<br />

an Wettbewerbspositionen <strong>und</strong> Kontrolle über Ressourcen durch die<br />

Herausbildung institutioneller Superstrukturen in den Systemen dominanter<br />

Akteure.<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Die Beobachtung ist sicher zutreffend, daß die institutionelle Trennung von Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

<strong>und</strong> ihrer industriellen Anwendung weitgehend aufgehoben ist (vgl.<br />

z.B. Hack & Hack 1985, auch weiter unten in diesem Beitrag). Das kann jedoch<br />

nicht darüber hinwegtäuschen, daß systematische Unterschiede bestehen bleiben,<br />

wie sich leicht an der zeitlichen Rekonstruktion des theoretischen Vorlaufs industrieller<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung zeigen läßt (Böhme, van den Daele, Hohlfeld<br />

1979). In der Kernenergie wurden die Gr<strong>und</strong>lagen ihrer Nutzung in den dreißiger<br />

<strong>und</strong> vierziger Jahren gelegt, in der Mikroelektronik, was die formalwissenschaftliche<br />

Seite angeht, wohl in den vierziger Jahren, in der Gentechnologie zwischen 1953<br />

<strong>und</strong> 1973. Die institutionelle Aufhebung der Trennung mag vielmehr u.a. ein Indikator<br />

dafür sein, daß in immer mehr Bereichen der Naturbeherrschung die „gr<strong>und</strong>legende<br />

Arbeit" getan ist, jedenfalls in den Bereichen, in denen industrielle Nutzungen<br />

absehbar sind.<br />

2 Der hier verwendete Technikbegriff rückt <strong>gesellschaftliche</strong> Akteure, Arenen <strong>und</strong><br />

Konflikte ins Zentrum der Technikanalyse. Er grenzt sich sowohl von kausalen wie<br />

von finalen Technikbegriffen ab, in denen Technik als nicht <strong>gesellschaftliche</strong> Sach-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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