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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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ökonomisch-finanzielle Notlagen verknüpfen sich mit teils engen sozialen<br />

Verwicklungen im 'Milieu', kollektive Aktionen <strong>und</strong> Selbsthilfe werden<br />

möglich <strong>und</strong> oft genug wird die räumliche Umgebung „emotional fixiert"<br />

(R. König) <strong>und</strong> erlangt dann sy<strong>mb</strong>olische Bedeutung als ein wesentlicher<br />

Pfeiler lokaler Identität, deren kollektiver Charakter sich durch oft jahrelange<br />

individuelle Identifikationsprozesse aufschichtet. Die lokale Bindung<br />

der Bewohner in Altbauquartieren wurde insbesondere offenk<strong>und</strong>ig, als<br />

die Deprivationen des sozial-räumlichen Lebenszusammenhangs durch sanierungsbedingte<br />

erzwungene Umsiedlungen erforscht wurden (vgl. M.<br />

Fried, 1971; für BRD: W. Tessin u.a., 1983).<br />

Der Forschung über Neubauviertel <strong>und</strong> Altbauquartiere ist gemeinsam,<br />

die Bedeutung dieser Teilbereiche für das alltägliche Leben, insbesondere der<br />

sozial <strong>und</strong> ökonomisch schwächeren Sozialschichten herausgearbeitet zu haben.<br />

Sie können gewissermaßen auch heute noch als die Scharniere fungieren,<br />

mit denen sich die gemeinschaftliche Aneignung des Raumes einer kleinen<br />

Gruppe mit der kollektiven Aneignung des gesamtstädtischen Raumes<br />

vermittelt oder anders ausgedrückt: „Ist die Gemeinde die Einheit der Gesellschaft,<br />

so ist das Viertel die Einheit der Lebensform" (R. Mackensen,<br />

1959, S. 22). Dies ist umso erstaunlicher, als aufgr<strong>und</strong> erhöhter räumlicher<br />

Mobilität, technologischer Entwicklungen wie Verbreitung von Telefon <strong>und</strong><br />

dem Auto als „Sy<strong>mb</strong>ol <strong>und</strong> wichtigstes Requisit der überlokalen Verflechtung"<br />

(H. Oswald, 1966) sowie dem Medium Fernsehen <strong>und</strong> neuerdings<br />

Bildschirmtext Tendenzen zur Entlokalisierung lokaler Lebenszusammenhänge<br />

möglich geworden sind. Die offenk<strong>und</strong>ige <strong>und</strong> verbreitete Resistenz<br />

ist im Kontext der involvierten Sozialstruktur zu sehen: die Arbeiterschicht<br />

lebt traditional stärker lokal bezogen, während soziale Mittel- <strong>und</strong> Oberschichten<br />

traditional stärker überregional orientiert sind.<br />

4. Indem sich die empirische Stadtforschung darüber hinaus auf lokal zwar<br />

bedeutsame, aber partielle Problemanalysen wie z.B. nachbarliche Beziehungen,<br />

Mobilitäten, politisches Verhalten, Wohnungsfragen, Probleme öffentlicher<br />

Infrastrukturversorgung etc. eingelassen hat, hat die integrations<strong>und</strong><br />

handlungstheoretisch orientierte empirische Stadt<strong>soziologie</strong> den lokalen<br />

Lebenszusammenhang verschiedener sozialer Gruppen immer mehr aus<br />

den Augen verloren. In gewisser Parallelität zu diesen unter politisch-planerischem<br />

Verwertungsdruck stehenden empirischen Teilanalysen — überwiegend<br />

ex post Problematisierungen ohne weitergehenden prognostischen<br />

Gehalt — wurden die Tendenzen der Fragmentierung lokaler Lebenszusammenhänge<br />

theoretisch relativ früh in den 60er Jahren thematisiert <strong>und</strong> unterschiedlich<br />

interpretiert (vgl. die theoretischen Entwürfe über die Stadt als<br />

Typ lokaler Vergesellschaftung von H.P. Bahrdt (1961), A. Mitscherlich<br />

(1965), H. Oswald (1966), H. Berndt u.a. (1968)). Sie diskutierten damals<br />

schon kritisch Phänomene wie Verlust von Urbanität durch funktionale<br />

Spezialisierung <strong>und</strong> soziale Segregation, Entlokalisierungsprozesse durch<br />

geographische Mobilität, Normpluralismus <strong>und</strong> Abnahme lokaler Sozial-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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