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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Zweitens: In die gleiche Richtung zielt die allgemeine Präponderanz<br />

des Sy<strong>mb</strong>olischen am Phänomen des Terrorismus. Da sein Skandal sich<br />

weniger aus Kriminalität als solcher denn aus den Gesinnungen ergibt, die<br />

an diese Kriminalität gekoppelt sind, liegt die Versuchung nahe, nun auch<br />

Gesinnungen zur Spurensuche zu verwenden, mehr noch: sie selber schon<br />

für kriminell zu halten. Die Differenz zwischen Recht <strong>und</strong> Moral, die für<br />

liberale Gesellschaften konstitutiv ist, wird zusammengedrückt. Da reicht<br />

am Ende schon die „klammheimliche Freude" eines nicht einmal eindeutigen<br />

Sympathisanten, um Großalarm auszulösen. Und wer den Rassenwahn<br />

der Nazis für eine gute Sache hält, riskiert nicht nur den Widerspruch <strong>und</strong><br />

Verachtung, sondern Gefängnis.<br />

Die Wahrscheinlichkeit ist also gegeben, daß sich politische Systeme<br />

unter dem Druck von Terroristen mehr oder weniger dem Bilde anzunähern<br />

beginnen, das diese zur Begründung ihres Angriffs schon entworfen hatten.<br />

Sie unterstützen insofern deren Begründung <strong>und</strong> tragen in diesem Sinne<br />

zur Produktion des Reizes bei, auf den sie nur zu reagieren meinen. Die<br />

Frage ist allerdings, ob Terroristen von diesem Zirkel letztlich profitieren.<br />

3. Koalitionschancen<br />

Die Profite in diesem Kampf werden am Ende von den Zuschauern entschieden.<br />

Beide Akteure, Terroristen <strong>und</strong> staatliche Instanzen, agieren auf<br />

einer Bühne, <strong>und</strong> der Beifall des Publikums bestimmt den Sieger. Er kann<br />

sogar dem Verlierer des Kampfes zufallen <strong>und</strong> insofern den sichtbaren<br />

Spielausgang ins Gegenteil drehen. Ein gelingender Anschlag kann ein<br />

Fiasko sein, wenn er als Unrecht gedeutet wird, <strong>und</strong> die physische Vernichtung<br />

von Terroristen kann umgekehrt ihren Triumph über den Gegner bedeuten,<br />

wenn ihr Tod als Indiz für die Grausamkeit dieses Systems erscheint.<br />

Es geht bei allen Aktionen wesentlich um die Gunst des Publikums.<br />

Und insofern der Einfluß dieses „Dritten" im Kalkül beider Akteure gesehen<br />

<strong>und</strong> berücksichtigt wird, ist ihr Kampf auch nicht völlig regellos. Man<br />

kann das am besten an dem erkennen, was sie nicht tun, obwohl es technisch<br />

möglich <strong>und</strong> taktisch nützlich wäre, es zu tun. Der angestrebte Publicity-Effekt<br />

schränkt die Angriffsziele <strong>und</strong> Handlungsmittel auf beiden Seiten<br />

ein (F. Neidhardt 1982, S. 467 f.).<br />

Wer unter diesen Bedingungen am Ende die Oberhand behält, läßt sich<br />

in allgemeiner Betrachtung natürlich nicht pauschal bestimmen. Sicher<br />

hängt der Verlauf der Kämpfe neben allen Zufällen auch von sozio-ökonomischen<br />

<strong>und</strong> politischen Lagebedingungen ab, die den Legitimitätsbestand<br />

der gegebenen Herrschaft mitbestimmen. Inmitten innerlich schon zerrütteter<br />

Systeme <strong>und</strong> angesichts eines schon vorhandenen Umsturzpotentials<br />

kann der kleine Reiz terroristischer Aktionen Auslöser kräftiger Veränderungen<br />

in Richtung des Reizes sein. Dieser Effekt läßt sich aber in der<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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