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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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estätigt wird), daß die ,,Selbstheilungskräfte" unterstützend wirken,<br />

Schmerzen verschwinden, Energie zurückkehrt, der Körper eine gute Resistenz<br />

zeigt, etc. Die Kontinuitätsunterbrechungen können bei Akuterkrankungen<br />

wegen der Kurzfristigkeit der Krankheit überbrückt werden.<br />

Für die hier besonders interessierenden chronischen Krankheiten ergibt<br />

sich eine verschärfte Situation. Bei Akuterkrankungen kann der Re-Normalisierungsbedarf<br />

zum Teil dadurch minimiert werden, daß angenommen<br />

werden kann, daß „die Sache bald vorbei ist", <strong>und</strong> „bald wieder alles im<br />

Lot" ist. Dieses Überbrückungsverfahen durch „Warten" <strong>und</strong> temporäre<br />

Substitution sozialer Aufgaben des Kranken funktioniert wegen ihrer<br />

Dauerhaftigkeit bei der chronischen Krankheit gerade nicht. Ähnliches gilt<br />

für die Kooperationsidealisierung. Der Kooperationsbedarf ist bei der chronischen<br />

Krankheit sowohl im Bereich der Therapie als auch im nicht-therapeutischen<br />

Lebensfeld besonders hoch, die Kooperationsfähigkeit erscheint<br />

demgegenüber permanent begrenzt. Schließlich ist die Idealisierung der<br />

Körperautonomie kaum wiederherzustellen, wenn eine stetige Therapie <strong>und</strong><br />

angepaßte Lebensweise dem Kranken klarmachen, wie hinfällig seine körperliche<br />

Balance ist. Die Re-Normalisierung der sozialen Leiblichkeit bei der<br />

chronischen Krankheit steckt in der paradoxen Situation, Idealisierungen<br />

wiederherstellen zu müssen, ohne den Gr<strong>und</strong> ihres Verlustes aufheben zu<br />

können. Die bei der Krankeitsentstehung als restriktiv erlebten Faktoren<br />

können nicht nur nicht aufgehoben werden, sondern es ist bei allen chronischen<br />

Krankheiten damit zu rechnen, daß sie sich verschärfen <strong>und</strong> weitere<br />

Einschränkungen hinzutreten.<br />

Die Krankheitsbewältigung bei chronischen Krankheiten steht im Bereich<br />

der alltagsweltlichen Idealisierungen somit offenbar vor der Alternative,<br />

eine Alltagswelt zu konstituieren, die eben ohne die vorgängig verletzten<br />

Idealisierungen auskommt oder Reparaturstrategien einzusetzen, die<br />

funktionierenden Ersatz schaffen <strong>und</strong> somit wieder ein „normales Leben"<br />

ermöglichen. Darüber gleich noch etwas mehr.<br />

Angesichts dieser Überlegungen zur Krankheitsentstehung <strong>und</strong> Krankheitsbewältigung<br />

sind unter sozio-biographischen Konstitutiva chronischer<br />

Krankheit sowohl restriktive als auch unterstützende Faktoren, also sowohl<br />

soziale <strong>und</strong> biographische Stressoren als auch Anti-Stressoren (Schutzfaktoren)<br />

zu verstehen. Ich versuche jetzt allgemein einige dieser Konstitutiva<br />

darzustellen, ohne auf empirische Einzeluntersuchungen oder spezifische<br />

chronische Krankheiten eingehen zu können.<br />

III. Biographische Konstitutiva<br />

Biographien sind Orientierungssysteme, in denen gesellschaftlich konstruierte<br />

Handlungsketten <strong>und</strong> individuelle Erfahrungstypen verknüpft werden.<br />

Sie bieten dem „Biographieträger" die Möglichkeit, über sozial präformierte<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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