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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Analyse der sozialen Strukturen, der Netzwerke aus organisierten <strong>und</strong><br />

nicht-organisierten Akteuren zu verbinden, deren Handeln dabei eine Rolle<br />

spielt. Entsprechende Brückenschläge werden neuerdings bereits versucht,<br />

so etwa in LaPortes Konzept von Technik als sozialer Organisation. 51<br />

Was in sozialen Systemen geschieht, ist natürlich nicht nur eine komplexe<br />

Aufsummierung bloßer Anpassungsreaktionen, wie sie bei TA-Studien im<br />

Vordergr<strong>und</strong> stehen. Erlebte Abhängigkeiten, erduldete Schädigungen<br />

durch das Tun von Akteuren, mit denen man noch nicht einmal in direkter<br />

Beziehung steht, lösen Gegenwehr aus <strong>und</strong> Versuche, die betreffenden Abhängigkeitsbeziehungen<br />

umzugestalten. Staatliche Steuerungsbemühungen,<br />

aber auch das Entstehen formaler Organisationen <strong>und</strong> ihre Verknüpfung<br />

zu interorganisatorischen Netzwerken mit geregelten Interaktionsbeziehungen<br />

oder die Entwicklung neokorporatistischer Entscheidungsstrukturen<br />

sind allesamt das Ergebnis derartiger Handlungsstrategien. Es erübrigt sich<br />

52<br />

fast zu betonen, daß die neu geschaffenen Strukturen die Handlungssituation<br />

der Akteure in einer oft kaum vorausgesehenen Art verändern <strong>und</strong> so<br />

am Ende z.B. neben oder sogar anstatt der erstrebten Handlungskoordination<br />

eine gegenseitige Blockierung bewirken.<br />

Negative Externalitäten oder Fernwirkungen als Folge indirekter Abhängigkeitsbeziehungen<br />

wie auch Aggregateffekte, die durch die schlichte<br />

Aufsummierung paralleler Einzelhandlungen entstehen, sind nur zwei —<br />

<strong>und</strong> zudem eher simple — Varianten, dynamischer Effekte. Theoretisch<br />

interessanter sind die von ThQmas Schelling so genannten interaktiven Effekte,<br />

die durch unbeabsichtigte wechselseitige Beeinflussung Zustandekommen<br />

bzw. die von Boudon analysierten Kompositionseffekte. Diesem<br />

53<br />

zentralen Teil des skizzierten Paradigmas ist bisher in den Sozialwissenschaften<br />

noch relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, was wesentlich<br />

mit der Konzentration auf Interaktionsbeziehungen zusammenhängt.<br />

Selbst Boudon hat nicht versucht, die verschiedenen Typen der<br />

54<br />

von ihm analysierten Kompositionseffekte systematisch mit der Struktur<br />

von Verflechtungszusammenhängen zu verknüpfen <strong>und</strong> die Prozeßmechanismen<br />

zu identifizieren, die dabei eine Rolle spielen. Dabei gibt es viele<br />

vorzügliche, vor allem auch empirische Analysen sozialer Prozesse, in denen<br />

derartige Mechanismen dargestellt werden. In der Literatur über soziale Bewegungen<br />

findet sich z.B. reichhaltiges Material über Eskalationsmechanismen<br />

im Rahmen von Konfliktprozessen, die aus antagonistischen Strukturen<br />

erwachsen. Von anderer Art sind die Mechanismen <strong>und</strong> strukturellen<br />

55<br />

Ausgangsbedingungen kumulativer Prozesse, bei denen bestimmte Sättigungseffekte<br />

oder das Überschreiten von Schwellenwerten eine Rolle spielen.<br />

Den eher im Mikrobereich liegenden Beispielen, die Schelling hier zur<br />

Illustration benutzt — Veränderung räumlicher Verteilungsmuster <strong>und</strong><br />

56<br />

Besuchsfrequenzen von Veranstaltungen — könnte man auf <strong>gesellschaftliche</strong>r<br />

Ebene die von Offe analysierten Mechanismen an die Seite stellen, die<br />

dazu führen, daß Recht <strong>und</strong> Geld als Steuerungsmittel infolge kumulierender<br />

negativer Nebenwirkungen an Wirksamkeit verlieren. Von großer Be-<br />

57<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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