07.03.2014 Aufrufe

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

meine Aufgabe darin, zu zeigen, daß sich staatliches Handeln gegenüber dieser<br />

Vielfalt familiären Zusammenlebens nicht neutral verhält, sondern durch<br />

institutionelle Regelungen — mit Hilfe des steuerlichen Ehe- <strong>und</strong> Familienlastenausgleichs<br />

<strong>und</strong> des Sozialversicherungssystems — ganz bestimmte Formen<br />

des Zusammenlebens <strong>und</strong> des generativen Verhaltens, d.h. der Familienbildung,<br />

belohnt <strong>und</strong> damit die von Lüscher als öffentlich bezeichnete<br />

Perspektive repräsentiert.<br />

Die institutionell erwünschte familiäre Lebensform werde ich unter Verwendung<br />

der in der feministischen Wissenschaft entwickelten Begrifflichkeit<br />

analysieren, d.h. ich werde die Familienarbeit, die sich zusammensetzt<br />

aus Beziehungsarbeit, Hausarbeit <strong>und</strong> Erziehungsarbeit in Relation setzen<br />

zu den Formen öffentlicher „Belohnung" <strong>und</strong> dabei aufzeigen, welche Arbeit<br />

finanziell gefördert wird <strong>und</strong> welche nicht.<br />

Wie das staatliche Unterstützungssystem, das aus Art. 6 GG abgeleitet<br />

wird (Ehe <strong>und</strong> Familie stehen unter dem besonderen Schutz des Staates),<br />

funktioniert, will ich zunächst an meiner eigenen familiären Lebensform<br />

deutlich machen: Ich lebe mit einem 23jährigen „Kind" zusammen, das<br />

studiert <strong>und</strong> deshalb von mir <strong>und</strong> dem Vater zu unterhalten ist (ob der Vater<br />

Unterhalt leistet oder nicht, interessiert für den Familienlastenausgleich<br />

überhaupt nicht). Ich erhalte daher 50,- DM Erstkindergeld — <strong>und</strong> das<br />

maximal bis zum 27. Lebensjahr des Kindes — <strong>und</strong> im indirekten steuerlichen<br />

Familienlastenausgleich über den Kinder- <strong>und</strong> Ausbildungsfreibetrag<br />

in der Steuerklasse 11,1 weitere 50,-- DM. D.h. ich werde mit 100,-- DM entlastet<br />

für Aufwendungen, die sich — gemessen am B<strong>und</strong>esausbildungsförderungsgesetz<br />

— auf mindestens 760,-- DM belaufen. Falls ich auf der Rückfahrt<br />

vom Soziologentag tödlich verunglücke, erhielte mein Kind Unterhaltsersatz<br />

aus meiner Rentenversicherung bis zum 25. Lebensjahr.<br />

Wenn ich dagegen gestern einen gleich alten, d.h. 23jährigen Studenten<br />

geheiratet hätte, den ich genauso unterhalten müßte wie mein Kind, würde<br />

ich im steuerlichen Ehelastenausgleich — bei einem Jahreseinkommen von<br />

70.000 DM (<strong>und</strong> diese Jahreslohnsumme erreichen die Beamten der Besoldungsgruppen<br />

A 13 bis 15 bzw. Cl bis C3 <strong>und</strong> die Angestellten von BAT<br />

IIa bis Ia) — monatlich 750,- DM weniger Lohnsteuer zahlen denn als Ledige.<br />

Würde ich aus dieser familiären Lebensform Ehe auf der Rückfahrt<br />

vom Soziologentag tödlich verunglücken, erhielte mein Ehemann Unterhaltsersatz<br />

aus meiner Rentenversicherung bis an sein Lebensende.<br />

Für welche Art von Familienarbeit wird der Ehelastenausgleich geleistet?<br />

Nicht für Hausarbeit <strong>und</strong> nicht für Erziehungsarbeit, sondern einzig<br />

<strong>und</strong> allein für Beziehungsarbeit! Dank des kirchlichen Dogmas von der<br />

Unauflöslichkeit der Ehe wird meinem Ehemann als Witwer solange Beziehungsarbeit<br />

honoriert, bis er wieder heiratet. Die dann noch fälligen<br />

zwei Jahresrenten „vergolden" den Verstoß gegen das Dogma.<br />

Die Ehe ist eine Erwerbs- <strong>und</strong> Wirtschaftsgemeinschaft. Deshalb wird<br />

im Steuerrecht davon ausgegangen, daß beide Ehepartner zu gleichen Teilen<br />

das Jahreseinkommen erwirtschaftet haben, auch wenn nur ein Ehegatte<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!