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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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6. Die Machtbalance zwischen Staat <strong>und</strong> professioneller Autonomie wandelt<br />

sich. Das Tätigkeitsfeld der Profession ist durch staatliche Mittel, also<br />

durch Beteiligung an der politischen Herrschaft gesichert bei voller Autonomie<br />

der Professionen in der Bestimmung der Inhalte ihrer Tätigkeit. Die<br />

Ausleihe von Mitteln staatlicher Herrschaft an autonom handelnde Professionen<br />

ist zweifach legitimiert: durch die Bindung professionellen Handelns<br />

an die wissenschaftliche Rationalität <strong>und</strong> durch die Klientenorientierung<br />

professionellen Handelns. Beide Legitimationen werden brüchig, weil die<br />

Identifikation der Qualität professionellen Handelns mit dem wissenschaftlich-technischen<br />

Fortschritt nicht länger gelingt <strong>und</strong> weil die Laien selbst<br />

die Klientenorientierung professionellen Handelns überzeugend in Frage<br />

stellen.<br />

Soziologie der Profession <strong>und</strong> Theorien postindustrieller Gesellschaften<br />

Die genannten Merkmale der Deprofessionalisierung der Hilfen <strong>und</strong> der<br />

Mobilisierung der Laien im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialbereich zwingen zu<br />

einer Revision soziologisch begründeter <strong>gesellschaftliche</strong>r Reformerwartungen.<br />

Gehörte es doch zum gesicherten Bestand der Modernisierungstheorien<br />

für die nachindustrielle Phase <strong>gesellschaftliche</strong>r Entwicklung, den<br />

Professionen eine Schlüsselrolle zuzuweisen . Um hier nur kurz an einiges<br />

8<br />

zu erinnern: Professionen in der Gestalt der wissenschaftlich-technischen<br />

Intelligenz, als Avantgarde des <strong>gesellschaftliche</strong>n Fortschritts, als Basis für<br />

die Ausbreitung fortschrittlicher politischer Ideen, als Werkzeug für die Befriedigung<br />

wesentlicher postindustrieller Bedürfnisse nach Bildung, nach<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> nach sozialer Unterstützung.<br />

Die strategische Einbeziehung der Professionen in makro-soziologische<br />

Überlegungen zur Weiter<strong>entwicklung</strong> der Gesellschaft verleiht den Theorien<br />

der Profession ein größeres Gewicht, als ihnen im Rahmen bereichsspezifischer<br />

Theorienbildung, der Berufs<strong>soziologie</strong> zukommt. Dabei hat — wenn<br />

ich recht sehe — nie eine intensive gegenseitige Bezugnahme zwischen den<br />

makro-soziologischen Theorien zur postindustriellen Gesellschaft <strong>und</strong> den<br />

bereichsspezifischen Theorien zur Profession stattgef<strong>und</strong>en, aus naheliegenden<br />

Gründen. Denn es gibt keine Reibungsflächen, in denen einander widersprechende<br />

Aussagen aufeinanderstoßen. Im Gegenteil, beide Theoriefelder<br />

ergänzen einander im gesellschaftspolitisch Erwünschten.<br />

Eine wichtige makro-soziologische Aussage betrifft die Ausweitung des<br />

öffentlichen, im engeren Sinne des sozialstaatlichen Dienstleistungssektors:<br />

mehr Wissenschaft, mehr wissenschaftlich ausgebildete Berufe, mehr Bildung,<br />

mehr Ges<strong>und</strong>heit, mehr soziale Unterstützung. In diesem Bild einer<br />

nachindustriellen Phase <strong>gesellschaftliche</strong>r Entwicklung, in dem sich beschreibende<br />

mit wertenden Charakterzügen mischen, erfüllen die Professionen,<br />

also Berufe, deren Identität durch formale wissenschaftliche Schulung<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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