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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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VERSOZIALWISSENSCHAFTLICHUNG DER IDENTITÄTSFORMA­<br />

TION UND DER VERWEIGERUNG VON LEBENSPRAXIS: EINE<br />

AKTUELLE VARIANTE DER DIALEKTIK DER AUFKLÄRUNG<br />

Ulrich Oevermann<br />

Vorbemerkung<br />

Während in der „empirischen Sozialforschung" der akademischen Soziologie<br />

ein subsumtionslogisches Vorgehen vorherrscht, in dem Datenmaterial<br />

aus der sozialen Realität von vornherein unter Gesichtspunkten allgemeiner,<br />

vorweg konstruierter Begriffe sortiert wird <strong>und</strong> man über empirische Verallgemeinerungen<br />

allmählich zu axiomatisierbaren Theorien fortzuschreiten<br />

hofft, bildet für eine Soziologie, die sich als hermeneutisch-rekonstruktive<br />

Erfahrungswissenschaft versteht, die Analyse der sequentiellen Strukturiertheit<br />

von textförmigen Protokollen, in der die Reproduktion der Struktur<br />

eines konkreten sozialen Gebildes als Ablauf sich manifestiert, das zentrale<br />

Geschäft. Diese auf materiale Strukturanalyse ausgehende soziologische<br />

Forschung behandelt natürliche, durch Forschungsinstrumente noch<br />

nicht zurechtgestutzte Protokolle solcher Abläufe als Erscheinungsformen<br />

der Reproduktion von Fallstrukturen, die ihrerseits allgemeinere <strong>gesellschaftliche</strong><br />

Substrukturen <strong>und</strong> Typen in ihrem Reproduktions- <strong>und</strong> Transformationsprozeß<br />

ausschnitthaft zum Ausdruck bringen. Man hofft, „in<br />

the long run" über die Integration verschiedener Fallrekonstruktionen,<br />

in denen konkrete Strukturanalyse betrieben wird, zur Rekonstruktion<br />

der <strong>gesellschaftliche</strong>n Totalität einer Epoche oder eines historischen Typs<br />

zu gelangen <strong>und</strong> sich bei diesem Bemühen mit den anderen geistes- <strong>und</strong><br />

kulturwissenschaftlichen Disziplinen zu treffen.<br />

Für die Verwirklichung eines solchen Programms, das man auch als<br />

genetischen Strukturalismus oder als historische Strukturanalyse bezeichnen<br />

könnte, sind zeitdiagnostisch ausgerichtete Materialanalysen von<br />

großer Wichtigkeit, in denen man versucht, latenten Entwicklungstrends<br />

einer <strong>gesellschaftliche</strong>n Konstellation oder Lage auf die Spur zu kommen.<br />

Solche Forschungen werden gegenwärtig von der Soziologie im Vergleich<br />

zu sektoralen Problemfeld-Analysen, Surveys, Querschnittsumfragen <strong>und</strong><br />

eingegrenzte Hypothesen überprüfenden Befragungen zu wenig ernst genommen,<br />

während sie von der älteren Soziologie, die sich ihrer Verwandtschaft<br />

mit den historischen Disziplinen bewußter war, noch als zentraler<br />

Teil ihrer wirklichkeitswissenschaftlichen Aufgabenstellung betrachtet<br />

wurden. Dabei lassen sie sich im Vergleich zu jenem anderen Forschungstyp<br />

mit geringem Aufwand <strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage einer Vielfalt von Datentypen<br />

— Interviews, Zeitungsberichte, literarische Zeugnisse, Tagebücher,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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