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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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wenn auch innerhalb fester Grenzen. Diese sind vorgegeben, erstens, durch<br />

die gr<strong>und</strong>legenden Merkmale des menschlichen Bewußtseins <strong>und</strong>, zweitens,<br />

durch allgemeine Merkmale der menschlichen Gesellschaftsorganisation. Die<br />

elementaren Strukturen des menschlichen Bewußtseins <strong>und</strong> der <strong>gesellschaftliche</strong>n<br />

Organisation haben sich phylogenetisch entwickelt <strong>und</strong> tragen noch<br />

immer deutliche Züge unserer Säugetier- <strong>und</strong> Primaten-Ahnenherrschaft.<br />

Die menschlichen Gesellschaftsstrukturen haben sich jedoch zu einem<br />

erheblichen Maß von den phylogenetischen Beschränkungen frei gemacht<br />

<strong>und</strong> stellen geschichtliche, nicht natürliche Strukturen dar; sie bestehen aus<br />

den zusammengesetzten Ergebnissen individuellen <strong>und</strong> kollektiven menschlichen<br />

Handelns, nicht aus genetisch vorprogrammiertem Verhalten. Da<br />

Handlungen durch das Bewußtsein motiviert <strong>und</strong> bestimmt werden, können<br />

<strong>gesellschaftliche</strong> Strukturen, als Handlungsfolgen, auch als eine „objektive"<br />

Ablagerung des „subjektiven" Bewußtseins angesehen werden. Aber da <strong>gesellschaftliche</strong><br />

Strukturen in Handlungen nicht als solche intendiert werden,<br />

können diese „objektiven" Ablagerungen auch als Produkt der überindividuellen<br />

Ironie der Geschichte betrachtet werden. Wie dem auch immer sei,<br />

die gr<strong>und</strong>sätzliche <strong>gesellschaftliche</strong> Bedingung der Religion ist die Beziehung<br />

der Menschen zu den historischen Ergebnissen <strong>und</strong> Folgen menschlicher<br />

Handlungen. Ist es möglich, systematische Veränderungen dieser Beziehung<br />

zu erkennen?<br />

Der Übergang von primitiven <strong>und</strong> archaischen zu traditionalen (antiken<br />

<strong>und</strong> feudalen) Gesellschaften stellt gewiß eine solche gr<strong>und</strong>legende Veränderung<br />

dar. Diese wurde im allgemeinen von einer Verlagerung von Stammes-<br />

zu „universalistischen" Religionen begleitet. Die hier interessierende<br />

Veränderung ist jedoch diejenige von traditionalen zu modernen Gesellschaften<br />

<strong>und</strong> dann von frühneuzeitlichen zu industriell-bürokratischen Gesellschaften.<br />

Zu dieser Veränderung gehört die Subjektivierung der persönlichen<br />

Existenz <strong>und</strong> die Privatisierung der Religion <strong>und</strong> der Bewußtseinsorganisation.<br />

Um die Gründe für die Privatisierung des individuellen Lebens während<br />

der letzten Generationen verstehen zu können, müssen die sozialpsychologischen<br />

Folgen des allgemeinen sozialen Wandels, der in der Entstehung der<br />

modernen Industriegesellschaften mündete, in Betracht gezogen werden.<br />

Seit unseren soziologischen Großvätern <strong>und</strong> Vätern sind uns die Gr<strong>und</strong>züge<br />

dieser Entwicklung wohl bekannt, obwohl sie schon von ihnen sehr unterschiedlich<br />

gedeutet <strong>und</strong> bewertet wurden. Weniger gut erfaßt sind jedoch<br />

die Auswirkungen dieser strukturellen Veränderungen auf das Alltagsleben<br />

der Menschen. Zwar haben Marx' Begriff der Entfremdung, Durkheims<br />

Begriff der Anomie <strong>und</strong> der Webersche Begriff der Rationalisierung einiges<br />

Licht auf manche Folgen der strukturellen Veränderungen geworfen.<br />

Doch haften diesen Begriffen Mängel an, wenn man sie zur Erfassung der<br />

subjektiven Korrelate moderner Gesellschaftsstrukturen verwendet. Um diese<br />

zu erfassen, werde ich hauptsächlich von Gehlen borgen <strong>und</strong> beginne mit<br />

einer ersten Skizze, die kaum Unbekanntes enhält.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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