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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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fende gut voraussagt; nach anderen Erwartungen hat die Prognose dann<br />

ihren Dienst getan, wenn sie zu der informierten Entscheidung verhalf, die<br />

zu erwartenden Trends zu verhindern.<br />

Tatsächlich scheinen der Fall einer eindeutigen Trendgläubigkeit ebenso<br />

wie der Fall einer eindeutigen Interventionsbereitschaft gegenüber dem<br />

Trend jedoch Ausnahmen zu sein. Vielmehr gehen gewöhnlich politische<br />

Präferenzen so stark in Modellannahmen ein, daß sie den Handelnden auf<br />

der Ebene der Prognoseergebnisse gar nicht mehr in vollem Maße vor die<br />

Alternative stellen, ob er sich herrschenden Trends anschließen oder ihnen<br />

entgegentreten will. Von daher ist die Kritik verständlich, daß die Prognosen<br />

selbst zu Wellenbewegungen im Bildungsverhalten <strong>und</strong> in der Relation<br />

von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage beitragen.<br />

Das bedeutet jedoch keinesfalls, daß sich Prognosen durchgängig als<br />

nachgeordnete Zahlenspielereien von vorgegebenen Annahmen <strong>und</strong> Wünschen<br />

zur zukünftigen Entwicklung verweisen. Es gibt vielmehr eine Fülle<br />

von Fällen, in denen Ergebnisse von Prognosen Anstöße zum Umdenken<br />

gaben <strong>und</strong> überraschende Entwicklungen auslösten.<br />

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den politischen Einfluß von<br />

Prognosen stellte die Entdeckung demographischer Wellen im Rahmen der<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Arbeitsmarktprognosen Mitte der siebziger Jahre dar: Die<br />

These, daß die Zahl der Ausbildungsplätze aus demographischen Gründen<br />

von Mitte der siebziger Jahre bis Mitte der achtziger Jahre um etwa 40 Prozent<br />

steigen müßte , war ein entscheidendes Argument zugunsten der<br />

36<br />

„Öffnung der Hochschulen" <strong>und</strong> der „Öffnung" weiterer Bildungsbereiche.<br />

Zugleich ging das Argument der demographischen Welle in die Prognose<br />

des Wissenschaftsrats ein, daß Ende der achtziger Jahre die Zahl der<br />

37<br />

Studierenden rapide zu sinken beginnen werde <strong>und</strong> daß sich zur Vermeidung<br />

einer langfristig unbrauchbaren Ressourcenbindung eine „Untertunnelung"<br />

des Studentenberges durch eine temporäre starke Auslastung der<br />

Hochschulen anbiete. Dies hatte tatsächlich zur Folge, daß die Hochschulen<br />

die Öffnungspolitik <strong>und</strong> in der Zeit von 1977 bis 1982 eine etwa<br />

38<br />

25prozentige „kostenneutrale" Steigerung der Studentenzahlen akzeptierten.<br />

Dabei war es angesichts der Dramatik dieser neuen Einsicht — in<br />

39<br />

diesem Falle in die demographischen Schwankungen — möglich, daß bestimmte<br />

fragwürdige Annahmen der Prognosen „geschluckt" wurden. Es<br />

war durchaus vorstellbar <strong>und</strong> so wurde zuweilen auch Mitte der siebziger<br />

Jahre argumentiert, daß die Studentenzahlen nach 1985 keineswegs stark<br />

zurückgehen würden. Inzwischen ist sichtbar, daß man heute nur dann einen<br />

Uberhang von Hochschulkapazitäten für die späten neunziger Jahre<br />

prognostizieren kann, wenn man zwischenzeitige Umdefinitionen in der<br />

Kapazität der Hochschulen akzeptiert. 40<br />

Schließlich haben die bestehenden Schwächen von Prognosen die Instanzen<br />

der Bildungsplanung <strong>und</strong> -Verwaltung nicht entmutigt, laufende<br />

Entscheidungen mit Hilfe von Prognosen zu planen. Sei es, daß man den<br />

Prognosen einen gewissen Vorhersagewert zuspricht, oder sei es lediglich,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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