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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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verlieren die Herren der Arbeitsgesellschaft das F<strong>und</strong>ament ihrer Macht".<br />

Unten, am Fuße der Herrschaftspyramide, wurden die Beherrschten in<br />

Westeuropa, nachdem einmal Großorganisationen entstanden waren, die<br />

in Konkurrenz produzierten, immer unentbehrlicher. Die hier verfolgte<br />

These lautet nun, daß der durch Rationalisierungsprozesse ausgelöste technische<br />

Wandel zwar zu einer beispiellosen Leistungssteigerung führte, die<br />

aber ihre Träger in unterschiedlichen Herrschaftslagen fand. In Industrie,<br />

Politik, öffentlicher Verwaltung, Erziehung <strong>und</strong> Bildung nahm die Bedeutung<br />

der Leistungen oben in einem langen Prozeß, dessen Geschwindigkeit<br />

sich beschleunigt hat, permanent ab. Dagegen nahm die Relevanz der Leistungen<br />

unten, also von jenen Akteuren, die anfangs einfach in dieses System<br />

hineingeschoben wurden, deren Leistung früher nur in der Verausgabung<br />

von Körperkraft ohne viel Sinn für den Akteur bestand, immer mehr<br />

zu. Das ist die Gr<strong>und</strong>lage dafür, daß sich Herrschaft in diesen Lebensbereichen<br />

immer mehr wegbewegt vom manipulierten Konsens oder von der<br />

durchgesetzten, aber bestrittenen Definition der Situation hin zur Machtangleichung.<br />

Wie ist es aber zu erklären, daß wir bei der Analyse des Militärs zu<br />

einem anderen Ergebnis kommen? Auch das Militär hat eine zentrale <strong>gesellschaftliche</strong><br />

Leistung zu erbringen: die Sicherheit vor Angriffen von außen.<br />

Die Formel „Produktion von Sicherheit" wird zwar von Intellektuellen oft<br />

belächelt <strong>und</strong> verspottet, da sie zum abrufbaren Selbstverständnis jedes<br />

Fähnrichs geworden ist, aber zutreffend ist sie für die Beherrschten dennoch.<br />

Produktion von Sicherheit wird von den Beherrschten als real erlebt<br />

in einer Gesellschaft, in der immer irgendwo Krieg ist. Die Bedrohung wird<br />

zunächst einmal von der Mehrheit der Akteure als von anderen Armeen<br />

als der eigenen ausgehend erlebt. Solange das so ist, solange gibt es keine<br />

„Unvereinbarkeit von militärischer Gewalt <strong>und</strong> entwickelter Gesellschaft",<br />

solange ist ein nachhaltiger Delegitimierungsprozeß der „Sicherheitspolitik<br />

oder der Streitkräfte" unwahrscheinlich.<br />

Sicherlich, das Unwahrscheinliche könnte eintreten, wenn Nuklearwaffen<br />

nicht als Sicherheit stiftend angesehen werden, sondern in eine doppelte<br />

Beziehung zum Überlebensproblem „Sicherheit vor Angriffen von außen"<br />

gebracht werden. Nuklearwaffen haben paradoxe Effekte. Sie geben als Abschreckungswaffen<br />

Sicherheit vor Angriffen, aber ihr Besitz fordert möglicherweise<br />

im Konfliktfall auch ihre Anwendung durch den Gegner heraus<br />

mit furchtbaren zerstörerischen Konsequenzen. Dadurch schaffen sie neue<br />

Unsicherheit. Darin liegt ein Potential für Delegitimierung <strong>und</strong> Funktionsverlust<br />

des Militärs mit weitreichenden Folgen für Enthierarchisierungsverläufe.<br />

Dieser Prozeß ist aber noch nicht im Gang.<br />

Militärorganisationen erfahren Legitimität um so mehr, als sie erfolgreich<br />

die territorialen Grenzen ihrer Gesellschaft verteidigen, d.h. Kriege<br />

verhindern oder gewinnen. Sieht man die westlichen Gesellschaften im Zusammenhang,<br />

so hat die Militärelite mit der atomaren Abschreckung zwar<br />

nur — auch in den Auswirkungen auf die eigenen „geschützten" Gesellschaf-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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