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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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unausweichlich zu Ende geht, dann ist es folgerichtig, die Anschlußfrage<br />

zu stellen, was denn nach ihm komme, wodurch es denn abgelöst werde.<br />

Für Schumpeter war die Antwort hierauf wie fraglos vorgegeben: durch den<br />

Sozialismus. Mag sein, daß die Richtung dieser Anwort durch das Gewicht<br />

einer evolutionstheoretischen Tradition in der Gesellschaftstheorie, die in<br />

der Arbeiterbewegung auch praktische Gestalt angenommen hatte, vorgezeichnet<br />

war. Weil für Schumpeter die Ablösung des Kapitalismus durch<br />

den Sozialismus eine evolutionäre Regelmäßigkeit war, die zu bezweifeln<br />

keinen Sinn machte, konzentrierte er seine Ausführungen zum Sozialismus<br />

auf die Frage, ob dieser ein funktionsfähiges Wirtschaftssystem sei. So umstandslos<br />

Schumpeter die Frage nach der Überlebensfähigkeit des Kapitalismus<br />

verneinte, so ohne Zögern beantwortete er die Frage: „Kann der<br />

Sozialismus funktionieren?" mit einem „klaren Ja" (S. 367). Damit stellte<br />

er sich gegen Annahmen einer Funktionsunfähigkeit des Sozialismus als<br />

Wirtschaftsordnung, die auf Max Weber zurückgehen <strong>und</strong> deren locus<br />

classicus Mises' „Die Gemeinwirtschaft" (1932) bildet.<br />

Heute, mehr als vierzig Jahre später <strong>und</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Erfahrung<br />

eines beispiellosen Aufschwungs der kapitalistischen Weltwirtschaft<br />

<strong>und</strong> der bekannten wirtschaftlichen Funktionsprobleme sozialistischer<br />

Länder werden viele, die Schumpeters Buch noch einmal zur Hand<br />

nehmen, Schwierigkeiten haben, seine Gedanken nachzuvollziehen. Ausgerechnet<br />

der Sozialismus soll funktionieren? Und ausgerechnet dem Kapitalismus,<br />

einem doch allem Anschein nach extrem lebensfähigen Gebilde, soll<br />

bescheinigt werden, daß seine Zeit abgelaufen sei? Verständlich wird letztere<br />

Behauptung nur, wenn man die Wendung der krisentheoretischen Gr<strong>und</strong>figur<br />

bei Schumpeter nicht verkennt, auf die er seine Überzeugung von der<br />

Begrenztheit des Kapitalismus als Gesellschaftsordnung stützt. Es ist auffällig,<br />

daß Schumpeter die Überlebensunfähigkeit des Kapitalismus nicht mit<br />

der immanenten Krisenanfälligkeit der kapitalistischen Wirtschaft begründet.<br />

In einem eigens Fragen der ökonomischen Funktionsfähigkeit gewidmeten<br />

Abschnitt weist Schumpeter vielmehr alle Annahmen, die stagnationstheoretisch<br />

mit Varianten des Gedankens der schwindenden Investitionschancen<br />

spielen, ausdrücklich zurück. Was kapitalistische Wirtschaften<br />

kennzeichnet, ist, daß sie auf Wachstum abgestellt sind. Kein anderes<br />

System zeichnet sich durch eine vergleichbare „Wachstumsrate der Erzeugung"<br />

aus.<br />

Woran der Kapitalismus zugr<strong>und</strong>e gehen wird, ist Schumpeter zufolge<br />

also ganz <strong>und</strong> gar nicht sein wirtschaftlicher Mißerfolg. Eine definitive<br />

Grenze für das Fortbestehen eines derartigen Wirtschaftssystems sieht er<br />

vielmehr ganz allgemein darin, daß „gerade sein Erfolg die sozialen Einrichtungen,<br />

die es schützen, untergräbt <strong>und</strong> unvermeidlich Bedingungen<br />

schafft, unter denen es nicht zu leben vermag <strong>und</strong> die nachdrücklich auf<br />

den Sozialismus als seinen gesetzlichen Erben deuten." (S. 106)<br />

Damit hat Schumpeter die Theorie der Selbstdestruktion kapitalistischer<br />

Systeme auf eine neue Gr<strong>und</strong>lage gestellt. Mich interessieren hier<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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