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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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positivismus. Aber zu fragen ist, ob diese Selbstbindung vernünftig ist <strong>und</strong><br />

ob die neopositivistische Sprachregelung durch die Weiter<strong>entwicklung</strong> der<br />

philosophischen Diskussion nicht überholt ist. So gibt es zum einen in der<br />

analytischen Philosophie eine Reihe von Autoren, die auch verstehende<br />

oder rationale Erklärungen als kausale begreifen (vgl. u.a. hierzu Davidson,<br />

1975). Und es gibt zum anderen Autoren, die der Auffassung sind, daß<br />

auch nicht-deterministische generalisierende Aussagen Kausalerklärungen<br />

stützen können (vgl. hierzu Mackie, 1980, S. 29 ff.). D.h. es gibt einige Argumente<br />

dafür, den Begriff der Kausalerklärung so weit zu fassen, daß er<br />

jene Explikation soziologischer Erklärungen, die Max Weber in den „Soziologischen<br />

Gr<strong>und</strong>begriffen" vorlegte, in sich einschließt.<br />

Orientiert man sich an einem derart weit gefaßten Begriff von Kausalerklärungen,<br />

wird man es kaum rechtfertigen können, in qualitativen Untersuchungen<br />

den Anspruch, Kausalerklärungen zu erarbeiten, rigoros fallen<br />

zu lassen. Man kann eher umgekehrt argumentieren: Gerade der offene <strong>und</strong><br />

am Anspruch des Verstehens orientierte Forschungszugang erleichtert die<br />

Erarbeitung plausibler Kausalerklärungen, <strong>und</strong> zwar dadurch, daß Aussagen<br />

zur Sinnadäquanz des zu erklärenden Handelns im Vergleich zu anderen<br />

Forschungsverfahren empirisch besser begründet werden können.<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 Ein empirisches Feld, in dem Geertz' Konzeption zu einiger Prominenz gekommen<br />

ist, ist beispielsweise der Bereich der Studien, in denen in der Organisationsforschung<br />

unter dem Stichwort „corporate culture" überwiegend qualitativ <strong>und</strong> am Vorbild<br />

ethnographischer Forschung orientiert gearbeitet wird (vgl. als Übersicht Smircich,<br />

1983). Ähnlich wie Geertz hebt auch Smircich hervor, daß es in diesen Studien, ungeachtet<br />

theoretischer Unterschiede, nicht primär um Vorhersagen, Generalisierungen,<br />

Kausalität <strong>und</strong> Kontrolle gehe, wie dies für die an standardisierten Verfahren<br />

orientierte vergleichende Organisationsforschung gelte, sondern um Verstehen <strong>und</strong><br />

Auslegung (vgl. insbesondere S. <strong>35</strong>3 ff.). Vgl. zur Rezeption Geertz' auch Sanday,<br />

1979.<br />

2 Vgl. als Übersichten über die unterschiedlichen Phasen der Auseinandersetzung über<br />

Erklären <strong>und</strong> Verstehen in den Geschichts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften von Wright,<br />

1974, oder Apel, 1979; vgl. als Übersicht über unterschiedliche Positionen in der<br />

analytischen Philosophie auch Giesen <strong>und</strong> Schmid, 1975.<br />

3 Die Studie wurde zuerst im Januar 1933 bei S. Hirzl in Leipzig veröffentlicht, wurde<br />

im nationalsozialistischen Deutschland jedoch kurze Zeit nach dem Erscheinen<br />

konfisziert (vgl. hierzu Jahoda, 1981, S. 139 <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>, 1983, S. 22). Eine zweite<br />

deutsche Ausgabe erschien 1960 <strong>und</strong> wurde 1975 durch eine Taschenbuchausgabe<br />

einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Seit Anfang der siebziger Jahre erschienen<br />

auch englische <strong>und</strong> französische Ausgaben <strong>und</strong> heute gilt die Untersuchung<br />

als Klassiker der empirischen Sozialforschung. Vgl. zur wissenschaftsgeschichtlichen<br />

Einordnung der Studie Knoll u.a., 1981, S. 88 ff., oder Lepsius, 1981, S. 464 ff.<br />

Vgl. zur Kommentierung der Studie auch die Beiträge der Autoren, auf die im folgenden<br />

verschiedentlich Bezug genommen wird.<br />

4 Vgl. hierzu verschiedene Textsammlungen <strong>und</strong> einführende Darstellungen zu qualita-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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