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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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BEMERKUNGEN ZU GESELLSCHAFTSSTRUKTUR, BEWUSSTSEINSFO<br />

Thomas<br />

Luckmann<br />

Zuallererst eine kurze Erläuterung der im Titel verwendeten Begriffe:<br />

Unter „Gesellschaftsstruktur" verstehe ich ein System — oder die Annäherung<br />

an ein System — von Handlungsregulierungen, von Institutionen.<br />

Unter „Bewußtsein" verstehe ich das, was subjektive Erfahrungen konstituiert<br />

— also Bewußtseinsleistungen —, <strong>und</strong> das, was sich in subjektiven<br />

Erfahrungsverläufen konstituiert — also Bewußtseinsgegenstände. Die konkrete<br />

empirische Organisation der Bewußtseinsgegenstände <strong>und</strong> ihre Zuordnung<br />

zu einem Subjekt <strong>und</strong> die Prägung des Subjekts zur persönlichen<br />

Identität sind <strong>gesellschaftliche</strong> <strong>und</strong> daher geschichtliche Konstruktionen.<br />

Unter Religion verstehe ich jenen Kern der <strong>gesellschaftliche</strong>n Organisation<br />

des Bewußtseins, der sich ausdrücklich auf vor allem außeralltägliche<br />

Erfahrungstranszendenzen bezieht.<br />

Eine Bemerkung zu meinen Annahmen über das Verhältnis von Gesellschaftsstruktur<br />

<strong>und</strong> Bewußtsein. Daß das menschliche Leben <strong>und</strong> die individuelle<br />

Orientierung in der Welt 'mehr oder weniger' unmittelbar <strong>und</strong><br />

'mehr oder weniger' durchgängig von der Gesellschaftsstruktur bestimmt<br />

wird, ist eine allgemeine soziologische — <strong>und</strong> auch meine — Gr<strong>und</strong>annahme.<br />

Max Weber folgend, ziehe ich jedoch die Möglichkeit in Betracht, daß die<br />

Bestimmung der historischen Veränderungen im menschlichen Leben durch<br />

sozialstrukturelle Faktoren nicht unbegrenzt ist. Ich gehe also von der zusätzlichen<br />

Annahme aus, daß sowohl das Maß als auch die Unmittelbarkeit<br />

der strukturellen Determination des menschlichen Lebens selbst historischen<br />

Wandlungen unterworfen sind. Damit bin ich bei der Frage angelangt,<br />

die ich in meinem Beitrag angehen möchte. Was sind die <strong>gesellschaftliche</strong>n<br />

Bedingungen der Religion — als Modell der Bewußtseinsorganisation — in<br />

modernen Industriegesellschaften?<br />

Es ist ratsam, zuerst zu fragen, ob an der Religion in der modernen<br />

Industriegesellschaft überhaupt etwas spezifisch neu ist. Kann man allgemeine<br />

Bedingungen für die religiöse Organisation des Bewußtseins in jeder Gesellschaft,<br />

einerlei, ob modern oder nicht, angeben?<br />

Die f<strong>und</strong>amentale Bedingung der Religion in allen Gesellschaften besteht<br />

im Verhältnis einer <strong>gesellschaftliche</strong>n Ordnung zu den Einzelorganismen<br />

der Gattung, die erst zu Personen werden, indem sie in der jeweiligen,<br />

historisch einzigartigen <strong>gesellschaftliche</strong>n Ordnung aufwachsen. Das Bestehen<br />

einer solchen Beziehung kann als anthropologische Konstante angesehen<br />

werden, die besondere Art dieser Beziehung variiert jedoch historisch,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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