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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Normalitätsentwürfe für Persönlichkeitsstrukturen drücken vor allem<br />

die jeweils für den Zeitgeist spezifische Deutung des Verhältnisses von Individuum<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft aus. Dieses Verhältnis stellt nicht nur begrifflich<br />

für die soziologische Strukturanalyse eine zentrale Dimension ihrer Betrachtung<br />

von Gesellschaft <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong>n Entwicklungen, in welchen<br />

Epochen <strong>und</strong> Kulturkreisen auch immer, dar, sondern bildet real eine<br />

für die Lebenspraxis selbst zentrale Dimension von Deutungsproblemen.<br />

Daß mit der Entfaltung der Geschichte zur Moderne hin eine beständige<br />

Ausdifferenzierung von Individuum <strong>und</strong> Gesellschaft für den einzelnen mit<br />

der Folge der Erhöhung von Individuierungs- <strong>und</strong> Autonomiechancen einerseits<br />

<strong>und</strong> der Zunahme von Problemdruck <strong>und</strong> Entfremdung andererseits<br />

verb<strong>und</strong>en ist, gehört zu den elementaren Topoi der Soziologie seit langem.<br />

Im folgenden soll ausschnitthaft einer spezifischen Ausformung von<br />

Identitätsentwürfen im Bezugsrahmen dieses Verhältnisses von Individuum<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft nachgegangen werden, wie es sich in einer Vielzahl von<br />

Daten aus ganz verschiedenen Forschungsbereichen dem Betrachter aufgedrängt<br />

hat. Der dabei herauskristallisierbare, hier nicht mehr als den Status<br />

einer Heuristik beanspruchende Typ von Identitätsformation in der gegenwärtigen<br />

Generation von 20- bis 30-jährigen mit weiterführender Ausbildung<br />

vermag vielleicht auch den immer wieder aufgeworfenen Fragen nach<br />

dem Weg, die diese Generation als Träger zukünftiger <strong>gesellschaftliche</strong>r<br />

Entscheidungen gehen wird, eine Antwort durchaus bescheidenen Umfangs<br />

vorzuschlagen.<br />

Die Heuristik der Analyse: Die strukturelle Dialektik von Lebenspraxis<br />

Ich werde bei dieser Betrachtung mit einem sehr einfachen, heuristischen<br />

Begriff von Lebenspraxis arbeiten, der sowohl auf die Lebensführung einzelner<br />

Personen, wie die von Gruppen <strong>und</strong> ganzen Gesellschaften sowie deren<br />

Repräsentanten angewendet werden kann. Eine Lebenspraxis entfaltet, sehr<br />

allgemein gesprochen, jede autonom handlungsfähige, <strong>gesellschaftliche</strong><br />

Instanz, ob nun Person oder höher aggregiertes System. Lebenspraxis verstehe<br />

ich als eine widersprüchliche Einheit von Begründungs- <strong>und</strong> Entscheidungszwang.<br />

Wo Handlungssituationen gr<strong>und</strong>sätzlich offen sind, Alternativen<br />

offerieren <strong>und</strong> durch Entscheidungen strukturiert werden müssen<br />

— die komplementäre Seite der Medaille von Handlungsautonomie —, konstituiert<br />

sich zugleich der Zwang zur Begründung von zu treffenden Entscheidungen,<br />

denn die durch Entscheidungsalternativen freigesetzte Handlungsautonomie<br />

realisiert sich erst in dem Maße, in dem die getroffenen<br />

Entscheidungen als vernünftig sich rechtfertigen lassen. Widersprüchlich ist<br />

die lebenspraktische Einheit von Entscheidungs- <strong>und</strong> Begründungszwang<br />

deshalb, weil gr<strong>und</strong>sätzlich die Offenheit von Handlungssituationen, generell:<br />

die Zukunftsoffenheit von Geschichte, nicht durch Einrichtung ahisto-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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