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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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entsprach auf der Ebene des Verhaltens <strong>und</strong> der Aktionsformen eine zunehmende<br />

Gewalthaftigkeit <strong>und</strong> kriminelle Form. Dieser Prozeß wird oft<br />

als der der Gewalteskalation beschrieben, selten jedoch genauer analysiert<br />

<strong>und</strong> nachgezeichnet. Dies will ich andeutungsweise tun.<br />

Betrachtet man das Geschehen unter konfliktanalytischen Gesichtspunkten<br />

<strong>und</strong> teilt das Ergebnis unserer bisherigen Überlegungen, daß nämlich<br />

die Bändigung <strong>und</strong> Domestizierung des politischen Gehalts der Studentenbewegung<br />

erst mit dem Terrorismus leichter gelang, dann läßt sich zunächst<br />

feststellen, daß die Eskalation der Auseinandersetzungen in die Gewalthaftigkeit<br />

objektiv die Adressaten des Protests gegenüber seinen Trägern<br />

in die Oberhand brachte. Die Gewalt des Protests entlegitimierte diesen<br />

<strong>und</strong> seine Inhalte — das ist die auf allen Seiten gebrauchte Formel für<br />

diesen Vorgang, wenn auch die Distanzierung auf Seiten derjenigen, die<br />

zwar den Protest zur Zeit der Studentenbewegung teilten, den Schritt in<br />

die Gewalt jedoch nicht mitgingen, von zeitlichem Zögern, hinhaltendem<br />

Argumentieren <strong>und</strong> von der Angst vor falscher Motivattribution geprägt<br />

<strong>und</strong> bestimmt war.<br />

Ich will damit nicht die Antwort auf eine Frage geben, die sich bei solchen<br />

Eskalationen von Konflikten in die Gewalthaftigkeit immer stellt,<br />

nämlich die Frage danach, wer den ersten Stein warf, das Feuer schürte <strong>und</strong><br />

die Eskalation in Gang hielt. Ich möchte diese Frage auch ausdrücklich als<br />

jenseits wissenschaftlicher Zielsetzung liegend zurückweisen. Sie stellt sich<br />

ja vor allem aus Gründen der politischen <strong>und</strong> vor allem strafrechtlichen<br />

Haftbarmachung, <strong>und</strong> die Schwierigkeit der wissenschaftlichen Analyse besteht<br />

darin, die eigenen Bef<strong>und</strong>e nicht in eine solche Grammatik überführen<br />

zu können. Eskalationsprozesse lassen sich methodologisch nicht als unilineare<br />

Ursache-Wirkungs-Beziehungen rekonstruieren, zudem nicht als solche,<br />

die die Bedingungen strafrechtlicher Subsumtion erfüllen, nämlich eindeutige<br />

Zurechnungen von Ursachen <strong>und</strong> Wirkungen zu handelnden Personen<br />

zu ermöglichen. Vielmehr erfordern sie eine Methodologie wechselseitiger<br />

Kausalbeziehungen, um Prozesse zu beschreiben, die ein „unbedeutendes<br />

oder zufälliges Ausgangsereignis ausweiten, zu einer Abweichung aufbauen<br />

<strong>und</strong> zu einer Entfernung vom Ausgangszustand treiben" (M. Maruyama<br />

1968, S. 304). Dabei läßt sich der sogen, „initial kick", das die Eskalation<br />

auslösende Ausgangsereignis, natürlich schwer zeitlich <strong>und</strong> örtlich<br />

genau bestimmen. Er ist im Gr<strong>und</strong>e — <strong>und</strong> das ist für die Logik solcher<br />

Modelle der springende Punkt — indeterminiert, d.h., er steht zum Eskalationsprodukt<br />

— hier der Gewalt — in höchst beliebiger <strong>und</strong> zufälliger Beziehung.<br />

Dies sei vorausgeschickt, um die folgenden Ausführungen gegen eine<br />

kausale oder strafrechtliche Um- oder Parallelinterpretation zu wappnen.<br />

Sicherlich laufen auf der anderen Seite soziale Eskalationsprozesse nicht<br />

naturwüchsig <strong>und</strong> irreversibel ab. Da es sich um Konfliktabläufe mit verschiedenen<br />

Konfliktpartnern handelt, sind die zentralen Elemente des Geschehens<br />

die jeweiligen Entscheidungen der einzelnen Konfliktpartner, ihre<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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