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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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stützen kann. Interessante Untersuchungen sind auch dadurch gelungen,<br />

daß die im vorwissenschaftlichen Sprachgebrauch häufige Bezeichung von<br />

Ereignissen im Religionsvokabular zu Forschungshypothesen umgeformt<br />

wurde. So sind Beichten, Kreuzzüge, Missionen, Priester, Propheten, Klöster<br />

<strong>und</strong> Sekten untersucht worden. Über den Erfolg solcher Unternehmen wird<br />

letztlich entscheiden, ob <strong>und</strong> wie es gelingt, solche Terme begrifflich befriedigend<br />

zu klären <strong>und</strong> durch ihre Verwendung bei der empirischen Analyse<br />

von Sachverhalten einen spezifischen Erkenntnisgewinn zu erzielen.<br />

Einen solchen Versuch möchte ich im Folgenden mit dem Vorgang der<br />

Konversion unternehmen. Die Absicht ist, damit einen spezifischen, von<br />

anderen unterscheidbaren Typus des Zugangs zu bestimmten Vergemeinschaftungen<br />

zu gewinnen, der diesen auch dann als sinnadäquat zugerechnet<br />

werden kann, wenn sie nicht zu den bekannten Typen religiöser Gemeinschaften<br />

i.e.S. (Kirche, Sekte etc.) zugehören, also eher Weltanschauungsgruppen<br />

im landläufigen Sinne darstellen.<br />

Unter den modernen Bedingungen von Glaubensspaltungen, religiöser<br />

Konkurrenz <strong>und</strong> der Ausbildung spezialisierter Rollen <strong>und</strong> Organisationen<br />

sind Vorkehrungen zur Abwehr von Konversionen aus dem eigenen Lager<br />

ebenso verbreitet, wie solche zur Herbeiführung von Konversionen aus den<br />

anderen Lagern. In jüngster Zeit hat das sozialwissenschaftliche Interesse<br />

an solchen Vorgängen bei der Beschäftigung mit den „Neuen religiösen<br />

Bewegungen" erheblich zugenommen <strong>und</strong> eine beträchtliche Literatur hervorgebracht.<br />

Das Folgende beutet diese in vielfältiger Weise aus. 2<br />

Ich werde mich dabei auf den Vorgang selbst konzentrieren, insbesondere<br />

als einen Mechanismus zur Steuerung <strong>und</strong> Regulierung von Interaktionen.<br />

Infolgedessen werde ich die in der empirischen Literatur vorherrschende<br />

<strong>und</strong> wichtige Ejage ganz ausklammern, warum ein Individuum konvertiert.<br />

Es ist nicht die Rede von Personen, Persönlichkeitstypen, auch nicht<br />

von Lebenssituationen, auf die Menschen manchmal, häuf ig.oder typischerweise<br />

mit Konversionen reagieren. Insofern alle diese Momente für das Auslösen<br />

der hier untersuchten Vorgänge bedeutsam sind, setze ich sie schlicht<br />

voraus.<br />

Es ist vielleicht zweckmäßig, mit einer Art definitorischer Bestimmung<br />

zu beginnen, um dann in erläuternden Anmerkungen die Implikationen<br />

herauszuarbeiten.<br />

1. Wissenssoziologisch gesehen, beziehen sich Konversionen (zunächst:<br />

mit Blick auf den Konvertiten) auf radikale Veränderungen der „Struktur"<br />

subjektiver Weltsichten. Sie sind radikal in dem Sinne, daß sie jene Elemente<br />

dieser Weltsicht betreffen, die alle anderen Inhalte in einer (zumeist:<br />

hierarchischen) Struktur der Relevanz ordnen, die also in der Luckmannschen<br />

Theoriesprache das „System of ultimate significance" bilden 3 .<br />

Vollzogene Konversion bedeutet also nicht den theoretisch wie praktisch<br />

kaum vorstellbaren vollständigen Austausch der Inhalte von Realitätsauffassungen,<br />

sondern die Neustrukturierung von alten <strong>und</strong> neuen Inhalten.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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