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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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— Bei gegenwärtigen Strategien sowohl kompensierender als auch wiedereingliedernder<br />

Arbeitsmarktpolitik wird zwar nirgendwo die Ausgrenzung<br />

von Frauen explizit formuliert. Gleichwohl ist sie systematisch nachweisbar<br />

(Weg 1984, a, b). Die Ausgrenzungen resultieren nicht aus allgemeinen<br />

Strukturen der Lohnarbeit, sie hängen mit Lohnarbeit nur<br />

insoweit zusammen, als bei dieser die Familienbelastung der Frauen diskriminierend<br />

gegen sie gekehrt wird. Restriktive Arbeitsmarktpolitik<br />

knüpft also daran an, daß Frauen unter den Bedingungen geschlechtshierarchischer<br />

Arbeitsteilung die unbezahlte Arbeit leisten. Diese Verteilungsstruktur<br />

der <strong>gesellschaftliche</strong>n Arbeit wird gegenwärtig durch die<br />

Kürzungen im Sozialbereich <strong>und</strong> die Ideologie der „neuen Mütterlichkeit"<br />

weiter verfestigt.<br />

Im übrigen trifft es Frauen systematisch häufiger, daß sie jahrelang<br />

Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben, dafür aber weder Arbeitslosenunterstützung<br />

noch Rente erhalten: Die Zuweisung der Familienarbeit<br />

<strong>und</strong> die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung innerhalb des Erwerbsbereichs<br />

machen Frauen so zu besonders „kostengünstigen" Arbeitslosen oder Rentnern.<br />

Wohlgemerkt: Für Einzelfragestellungen der Sozialpolitik-Analyse,<br />

etwa die historische Entwicklung der Sozialversicherungssysteme, die<br />

Funktion restriktiver Arbeitsmarktpolitik hinsichtlich der industriellen<br />

Reservearmee usw. liefert Böhles Ansatz zutreffende <strong>und</strong> relevante Ergebnisse.<br />

Trotzdem bleiben Fragen offen, etwa nach dem Stellenwert von<br />

Frauenerwerbsarbeit <strong>und</strong> Frauenarbeit insgesamt für diese Entwicklungen.<br />

Nicht analysierbar sind jedoch von Böhles Gr<strong>und</strong>these aus Probleme wie<br />

die folgenden:<br />

— Sozialpolitik geht, mit expliziten oder impliziten gesellschaftspolitischen<br />

Prämissen, über die Anknüpfung an die Organisierung der Lohnarbeit<br />

hinaus <strong>und</strong> knüpft de facto an Reproduktionsarbeit an. Das geschieht,<br />

indem sie diese als Leistung von Müttern, Schwestern, Töchtern für die<br />

Reproduktion der männlichen Arbeitskraft offen oder stillschweigend<br />

voraussetzt <strong>und</strong> hier <strong>gesellschaftliche</strong> Lösungen ausspart.<br />

— In Einzelfällen greift Sozialpolitik die Familienarbeit positiv auf,<br />

d.h. Sozialtransferleistungen für Frauen bewirkend. Ein Beispiel hier-,<br />

für ist die Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung.<br />

Auch bei Wiedereingliederungsmaßnahmen im Arbeitsförderungsgesetz<br />

(§ 2, Ziffer 5 des AFG nennt als Ziel ausdrücklich die berufliche Wiedereingliederung<br />

von Frauen) oder bei der Invalidenrente fanden sich solche<br />

Ansätze. Genau diese sind aber im Zuge der konservativen Wende der<br />

Sozialpolitik zurückgeschnitten worden.<br />

— Von gr<strong>und</strong>legender theoretischer <strong>und</strong> praktischer Bedeutung wären<br />

Forschungsarbeiten zur Frage, welche quantitative <strong>und</strong> qualitative Bedeutung<br />

Sozialpolitik <strong>und</strong> unbezahlte Arbeit (der Frauen) wechselseitig<br />

füreinander haben, <strong>und</strong> wie die Bezüge zum frauen- <strong>und</strong> gesellschaftspolitischen<br />

Ziel der Chancengleichheit sind (vgl. Riedmüller in diesem Band).<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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