07.03.2014 Aufrufe

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ein Vergleich strategischen Handelns einer bestimmten Gruppe im Zentrum<br />

der Bürokratie, nämlich der Ministerialbürokratie <strong>und</strong> der Armeeführung<br />

in Thailand, Malaysia <strong>und</strong> Indonesien zeigen deutlich, wie nach einer<br />

„gleichen" strukturellen Ausgangslage doch gr<strong>und</strong>verschiedene Strategien<br />

verfolgt wurden. Die Thai-Bürokraten (ursprünglich organisiert in der sog.<br />

Volkspartei) verschafften sich Zugang zu privaten Einkünften, indem sie<br />

sich in Abstimmung mit chinesischen Unternehmern zu stillen Teilhabern<br />

thailändischer Firmen machen ließen.<br />

In Malaysia griffen höhere Beamte selbst zur Tat:<br />

Als sich herausstellte, daß ein Eindringen in die chinesische Geschäftswelt<br />

aufgr<strong>und</strong> deren numerischer Stärke nicht möglich war, wurden Staatsunternehmen<br />

gegründet (z.B. die staatliche Bank Bumiputra, die Handelsgesellschaft<br />

Mara, die Ölgesellschaft Petronas <strong>und</strong> viele andere). In diesen Unternehmen,<br />

die parallel <strong>und</strong> in Konkurrenz zum privaten Sektor arbeiteten,<br />

wurden Direktorenposten <strong>und</strong> Aufsichtsräte vornehmlich mit malaysischen<br />

Beamten <strong>und</strong> Politikern besetzt.<br />

In Indonesien wurden nach 1956 zunächst ähnliche Strategien verfolgt.<br />

Nach 1965 sind jedoch Beamte <strong>und</strong> vor allem Offiziere neben ihrer<br />

Tätigkeit in der Bürokratie auch ins Privatgeschäft eingestiegen <strong>und</strong> haben<br />

sich als Unternehmer oder Großgr<strong>und</strong>besitzer betätigt. Dabei allerdings<br />

setzten sie chinesische Großkaufleute als „Berater" (indonesisch: cukong)<br />

ein. Diese Nutzung recht heterogener Einkommensquellen, beispielsweise<br />

die private Nutzung „öffentlicher" Institutionen, als Basis <strong>und</strong> Bedingung<br />

für den privilegierten Einstieg in die Privatwirtschaft <strong>und</strong> zur vorteilhaften<br />

Erlangung von Gr<strong>und</strong>besitz in kominierter Form nennen wir den Prozeß<br />

der „Hybridisierung" strategischer Gruppen.<br />

Nicht der Besitz an Produktionsmitteln oder ein irgendwie gearteter<br />

ökonomischer Zustand ist für die Konstitution strategischer Gruppen ausschlaggebend.<br />

Vielmehr zeigt unsere Analyse, daß strategische Gruppen<br />

nicht durch eine eindeutig bestim<strong>mb</strong>are soziale Lage gekennzeichnet sind.<br />

Sie werden vielmehr durch ein gemeinsames Interesse konstituiert, durch<br />

entsprechendes strategisches Handeln eine solche Lage erst zu schaffen<br />

<strong>und</strong> abzusichern.<br />

Hybridisierung strategischer Gruppen:<br />

Die Mitglieder strategischer Gruppen befinden sich nicht in einer eindeutigen<br />

sozialen Lage. Um eine einmal errungene Position abzusichern<br />

bzw. die eigene Lage zu verbessern <strong>und</strong> weiter auszubauen, haben strategische<br />

Gruppen die Tendenz, auf andere Bereiche überzugreifen. Diese fast<br />

zwangsläufige <strong>und</strong> oft gegen ursprüngliche Intentionen verlaufende Entwicklung<br />

berührt die Interessen anderer strategischer Gruppen. Dies kann<br />

sowohl zu Konflikten als auch zur Interessenkonvergenz <strong>und</strong> zur Koalition<br />

führen. Das Beispiel der Ministerialbürokraten in Thailand, Malaysia <strong>und</strong><br />

Indonesien zeigt sowohl Fälle von Parallelität (schwache Hybridisierung)<br />

wie solche von Sy<strong>mb</strong>iose. Letzteres heißt aber, daß die Hybridisierung in<br />

die Entstehung einer neuen Klasse umschlagen kann. Hybridisierung läutet<br />

also möglicherweise den Bildungsprozeß einer neuen Klasse ein.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!