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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Abschließend ein letzter Hinweis: es ist ja wiederholt bemerkt worden,<br />

daß die Anwendung von dichotomisierenden Begriffen wie Mikro- <strong>und</strong><br />

Makro<strong>soziologie</strong> oder System- <strong>und</strong> Handlungsebene auf die Webersche<br />

Soziologie wenig hilfreich ist. Ich glaube, daß sich zeigen läßt, daß Weber<br />

zwischen unterschiedlichen Aggregationsniveaus von Handlungen unter<br />

anderem deshalb flexibel zu vermitteln vermochte, weil er das Konzept<br />

des Einverständnishandelns mit Prozessen formaler Rationalisierung verbinden<br />

konnte. Formal rationalisiert werden sämtliche Denk- <strong>und</strong> Handlungsbereiche,<br />

aber auch die Persönlichkeit selbst. Damit hat Weber mit formaler<br />

Rationalität den Fall der Interrelation von Mikro- <strong>und</strong> Makrorationalität<br />

identifiziert, bei dem die Rationalitätskriterien der beiden Ebenen konkordant<br />

sind. Die Organisationen haben ein notwendiges Interesse daran, daß<br />

ihre Mitglieder <strong>und</strong> Abnehmer in ihrem Verhalten berechenbar sind, <strong>und</strong><br />

umgekehrt haben die Individuen ein Interesse daran, daß auch die Organisationen<br />

'maschinenmäßig' funktionieren. Wächst nun die formale Rationalität<br />

von Individuen <strong>und</strong> sozialen Systemen, so kommen „Einverständnisse"<br />

leichter zustande. Denn nun erhöht sich die für Einverständnishandeln<br />

konstitutive objektive Wahrscheinlichkeit: „daß ... (andere die eigenen)<br />

Erwartungen trotz des Fehlens einer Vereinbarung als sinnhaft 'gültig'<br />

für ihr Verhalten praktisch behandeln werden." 9<br />

Zusammenfassend läßt sich vielleicht festhalten: nicht Zweckrationalität,<br />

sondern formale Rationalität ist Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt der Weberschen<br />

Soziologie, die von Anbeginn an Evolutionstheorie war <strong>und</strong> die sich als<br />

solche nicht ohne Rekurs auf formale Rationalisierung konstruieren ließ.<br />

ANMERKUNGEN<br />

1 W. Schluchter, Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus, Tübingen 1979,<br />

S. 130 f.<br />

2 M. Weber, Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft, Tbg. 1956, S. 45.<br />

3 Anm. 2, S. 13.<br />

4 M. Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, Tbg. 1889,<br />

S. 66.<br />

5 Vgl. Anm. 4, S. 151, 155.<br />

6 Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tbg. 1951, S. 204.<br />

7 Für dieses wie die folgenden Argumente ist relativ gleichgültig, ob Weber die Zusammenhänge<br />

im einzelnen präsent waren. Wenn meine Überlegungen triftig sind,<br />

mußte Weber bei der Analyse von Entwicklungsprozessen immer wieder auf ein Anwachsen<br />

von formaler Rationalität stoßen. Dies war der Fall, <strong>und</strong> das genügt für die<br />

Zwecke dieses Aufsatzes.<br />

8 M. Weber, Ges. Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Anm. 6, S. 512. Diese Passage<br />

allein sollte eigentlich genügen, den Leser davon zu überzeugen, daß man mit bloßer<br />

Zweckrationalität bei Weber nicht sehr weit kommen kann.<br />

9 Max Weber, Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, [Anm. 6] S. 456.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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