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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Möglichkeit — für die Ergebnisse einer dem Schul- oder Hochschulbesuch<br />

vorgelagerten sozialen Auslese junger Menschen mit einer besonders starken<br />

Disposition für Selbstentfaltungswerte, die in den Bildungsinstitutionen<br />

selbst nur „verstärkt" oder „aufgeschaukelt" würde? Oder steht der Begriff<br />

vielleicht gar nur für die Auswirkung der mit der Zugehörigkeit zu Bildungseinrichtungen<br />

verb<strong>und</strong>enen allgemeinen Lebenssituation, so etwa für die<br />

Wirkung des Zusammentreffens einer Freisetzung von Berufsarbeit mit finanzieller<br />

Abhängigkeit? Oder vielleicht auch nur für eine besondere Empfänglichkeit<br />

für Wertpropagierungen?<br />

Und wenn es sich um „Prägung" handeln sollte — handelt es sich dann<br />

hierbei um eine Beeinflussung durch Bildungsinhalte, oder vielleicht auch<br />

durch Bildungsformen <strong>und</strong> -umstände, die für die gehobeneren Bereiche des<br />

Bildungssystems typisch waren <strong>und</strong> sind, bzw. typisch wurden, als ältere<br />

Formen <strong>und</strong> Umstände — in den 60er Jahren — durch neue abgelöst wurden?<br />

Man kann auf den ersten Blick erkennen, daß diese Alternativen der<br />

Deutung des empirisch beobachtbaren Korrelierens von Wertwandel <strong>und</strong><br />

Bildung höchst unterschiedlich <strong>und</strong> kontrovers sind. Man mag sich aber,<br />

wenn man an diesem Punkt der Einsicht angelangt ist, zumindest einen Augenblick<br />

lang mit dem Gedanken trösten, daß die in dem fraglichen Erkenntnisfeld<br />

zahlreich versammelten Forschungsdisziplinen das Problem sicherlich<br />

längst erkannt <strong>und</strong> wahrscheinlich auch gelöst haben werden, so daß es<br />

möglich ist, die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen aus vorhandenen<br />

Forschungsergebnissen abzulesen. Man mag hierbei neben der Wertforschung<br />

selbst an die Schul- <strong>und</strong> Hochschulsozialisationsforschung, wie natürlich<br />

auch an die Jugendforschung denken, d.h. also an gut besetzte Disziplinen,<br />

denen gegenüber es wenig Anlaß zur Zurückhaltung hochgespannter<br />

Erwartungen zu geben scheint.<br />

Ich hoffe mich nun allerdings mit den Forschern der betreffenden Disziplinen<br />

in Übereinstimmung zu befinden, wenn ich behaupte, daß eine vertrauensvolle<br />

Wissenszuschreibung dieser Art den gegenwärtig gegebenen Erkenntnisstand<br />

bei weitem überfordern würde. Es läßt sich vielmehr umgekehrt<br />

die These aufstellen, daß die hinter dem statistischen Zusammenhang<br />

von Wertwandel <strong>und</strong> Bildungsniveau stehende Kausalität gegenwärtig noch<br />

verhältnismäßig unerforscht <strong>und</strong> im ganzen genommen unklar ist, so daß<br />

ihre Aufhellung zu den wesentlichen Aufgaben rechnen muß, die sich im<br />

Themenbereich „Bildung <strong>und</strong> Wertwandel" aktuell stellen.<br />

Die Erklärung dieses überraschenden Wissensdefizits muß auf diese<br />

Entwicklungssituation der im Spiele befindlichen Forschungsdisziplinen<br />

eingehen <strong>und</strong> fordert mehr Zeit <strong>und</strong> Raum als an dieser Stelle zur Verfügung<br />

stehen. Ich will es deshalb bei der Negativfeststellung belassen <strong>und</strong><br />

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mich vielmehr — innerhalb derjenigen Grenzen, die durch den Forschungsstand<br />

gesetzt sind — an die soeben definierte Aufgabenstellung heranbegeben,<br />

d.h. also den Versuch unternehmen, einen Beitrag zur Aufhellung der<br />

zwischen Bildungsniveau <strong>und</strong> Wertwandel bestehenden Kausalbeziehung zu<br />

leisten.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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