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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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ten — schreckliche Konzepte zu offerieren, diese haben aber immerhin<br />

seit bald vierzig Jahren den Frieden erhalten. An dieser Tatsache kommt<br />

keine Analyse des modernen Militärs <strong>und</strong> seiner Machtgr<strong>und</strong>lagen in westlichen<br />

Gesellschaften vorbei.<br />

Die Herrschaft der Militärführer über die Soldaten ist ebenfalls bedeutend<br />

<strong>und</strong> mit der Herrschaft von Betriebsleitern <strong>und</strong> Behördenvorgesetzten<br />

nicht zu vergleichen, obwohl nicht übersehen werden darf, daß Soldaten<br />

heute nicht mehr so abhängig sind wie vor h<strong>und</strong>ert oder mehr Jahren. Technisierung<br />

der Armee, die Effizienz von Führungsstrukturen, die Beteiligung<br />

der Soldaten an der Erfüllung von Gruppenaufträgen haben ihre Auswirkung<br />

auch im Militär in Enthierarchisierungsprozessen. Sie sind aber nicht<br />

mit den Prozessen des Machtwandels in Industrie <strong>und</strong> öffentlicher Verwaltung<br />

zu vergleichen, <strong>und</strong> sie werden zum Teil durch neue Hierarchisierung<br />

aufgr<strong>und</strong> von Nuklearbewaffnung ausgeglichen. Denn in einer Armee, die<br />

die äußere Sicherheit mit Kernwaffen zu gewährleisten versucht, für deren<br />

Einsatzbereitschaft eine im Verhältnis zu anderen Armeeteilen kleine Gruppe<br />

von Akteuren erforderlich ist, ist die Leistung der Masse der Soldaten<br />

der Infanterie, Marine <strong>und</strong> Luftwaffe für die Lösung des Sicherheitsproblems<br />

geringer einzuschätzen. Ihre Leistung ist auch nicht mit der anderer<br />

moderner Beherrschter, z.B. von Fabrikarbeitern, zu vergleichen, wenn man<br />

berücksichtigt, daß in Armeen von Wehrpflichtigen Soldaten nie Experten<br />

in ihrer Position werden, wie dies Industriearbeiter sind. Daher finden wir<br />

die Machtkonzentration an der Spitze <strong>und</strong> die Machtlosigkeit der Masse der<br />

Soldaten.<br />

Für die Einflußlosigkeit der Minderheit von Schutzbefohlenen, die in<br />

sozialen Bewegungen gegen die modernen Armeen in westlichen Gesellschaften<br />

antreten, sind die nicht überzeugenden Antworten auf die Frage<br />

nach der Sicherheit vor Angriffen von außen maßgebend.<br />

Ich fasse zusammen: Die unterschiedlichen Leistungsdifferenzen zwischen<br />

den Handlungszusammenhängen der Wirtschaft, der öffentlichen Verwaltung<br />

<strong>und</strong> des Militärs, die wir hier insbesondere betrachtet haben, erklären<br />

daher den unterschiedlichen Grad der Enthierarchisierung. Denn, so<br />

lautet unsere These, die formale Rationalisierung der Lösung von Überlebensproblemen<br />

führt stets zu Hierarchisierung der Akteure eines Handlungszusammenhangs<br />

einerseits <strong>und</strong> zur differentiellen Leistungssteigerung<br />

„oben" <strong>und</strong> „unten" andererseits. Da in der Moderne Herrschaft wesentlich<br />

auf Leistungen gründet, verändern die Leistungsrelationen permanent Herrschaftsverhältnisse.<br />

Wo Machtansprüche nicht mehr von Leistungen gedeckt<br />

werden, kann sich alte, anerkannte Macht nicht lange halten, kann sich<br />

neue Macht der Masse der Beherrschten nicht entwickeln. Wo zur Lösung<br />

von Problemen des Überlebens <strong>und</strong> Besserlebens die erforderlichen Leistungen<br />

unten auf breiter Basis erbracht werden, da ist auch die Gefahr der<br />

Ägyptisierung, der Entwicklung zur formierten Gesellschaft, ganz unwahrscheinlich.<br />

Wo aber die Akteure unten keine bedeutenden Leistungen erbringen<br />

können oder gar jede Partizipation verweigern, da ist Ägyptisierung<br />

reale Gefahr.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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