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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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politisch geht es dann nicht nur um die Befriedung <strong>gesellschaftliche</strong>r 'Lagen'<br />

oder ein Freimachen <strong>gesellschaftliche</strong>r 'Chancen', sondern um die aktive<br />

Entwicklung von Handlungskompetenzen <strong>und</strong> Handlungskontexten.<br />

Bestimmen wir „Lebenszusammenhänge" nach ihrem „menschlichen<br />

Maß" sozialer Nähe, so geht es nicht um quantitative Maßstäbe <strong>und</strong> Reichweiten,<br />

vielmehr um eine besondere Qualität <strong>und</strong> Intensität sozialer Integration.<br />

In „Lebenszusammenhängen" können die Mechanismen moderner<br />

Systemintegration (Funktionstrennung, Systemdifferenzierung <strong>und</strong> Formalkontrolle)<br />

zurückgenommen werden, da hier in der Gegenwärtigkeit <strong>und</strong><br />

Unmittelbarkeit wechselseitiger Wahrnehmung, also „sozialintegrativ" über<br />

Verhandlung <strong>und</strong> Verständigung, Vertrauen <strong>und</strong> Verantwortung sich „Zusammenhang"<br />

konstituieren <strong>und</strong> stabilisieren kann.<br />

Doch geht es nicht um ein vorbehaltloses Konservieren von gewachsenen<br />

<strong>und</strong> gestandenen „kleinen Netzen" (wie den „natural-networks" von<br />

Verwandtschaft, Nachbarschaft, Kameradschaft), auch nicht um die einseitige<br />

Auslegung von Subsidiarität zum Zwecke der Abwälzung <strong>gesellschaftliche</strong>r<br />

Probleme auf die private Sorge primärer Lebenskreise, (die sich dabei<br />

gerade nicht mehr subsidiär gestützt, sondern aus sozialpolitischer Daseinsvorsorge<br />

fallen gelassen sehen). Ordnungspolitische Programmformeln der<br />

„Solidarität", „Subsidiarität" oder „Pluralität" gewinnen vielmehr neuen<br />

Sinn, wenn wir sie bewußt relational <strong>und</strong> reflexiv verstehen — d.h. im Sinne<br />

von Organisations- <strong>und</strong> Relationsformen, die sich in ihren Binnenbeziehungen<br />

wie Umweltrelationen selbst bestimmen <strong>und</strong> selbst steuern können. In<br />

diesem Sinne zielt auch unsere Formel „Entwicklung von Lebenszusammenhängen"<br />

auf die Offenheit der Konstitutionsprozesse selbstbewußter<br />

<strong>und</strong> selbstaktiver Vernetzung.<br />

Für soziologische Forschungsorientierung, gerade auch in den hier vorgestellten<br />

Sektionen, bedeutet dies ein wachsendes Interesse an den Konstitutionsprozessen<br />

<strong>und</strong> der Entwicklungsdynamik sozialer Handlungsfelder<br />

<strong>und</strong> Deutungsmuster: Zu verweisen ist auf Biographieforschung <strong>und</strong> Lebenslaufanalyse,<br />

Familiengeschichte <strong>und</strong> Sozialisationsforschung, Sozialraumanalyse<br />

<strong>und</strong> die Erforschung sozialer Netzwerke. Theoretische wie methodische<br />

Konzepte einer Ethnomethodologie des Alltags, eines sy<strong>mb</strong>olischen<br />

Interaktionismus wie methodologischen Individualismus, Theorien<br />

kommunikativen Handelns <strong>und</strong> selbstreferentieller Systeme entwickeln dazu<br />

ein neues bewußt handlungsorientiertes Verständnis der „sozialen Konstruktion<br />

<strong>gesellschaftliche</strong>r Wirklichkeit".<br />

Wenn wir nun das Konstrukt des „Lebenszusammenhanges" mit dem<br />

Begriff der „Entwicklung" verbinden, wird die doppelte Perspektivik von<br />

„Entwicklung" zu beachten sein: Transitiv bedeutet „Entwicklung von Lebenszusammenhängen"<br />

die planmäßige Durchsetzung eines Bedingungsrahmens<br />

zur Verbesserung von Lebenslagen. Davon zu unterscheiden ist ein<br />

reflexives Verständnis von „Entwicklung". Dann geht es nicht nur darum,<br />

daß Lebenslagen entwickelt-werden, vielmehr interessiert die Chance, daß<br />

„Lebenszusammenhänge" sich-entwickeln können.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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