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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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DIE ZÖGERNDE BEGRÜSSUNG DER MODERNE.<br />

ZU GEORG SIMMELS DIAGNOSE MODERNER LEBENSSTILE.<br />

Georg<br />

Lohmann<br />

Georg Simmeis Verhältnis zur Moderne ist zwiespältig. Auf der einen Seite<br />

analysiert er die Auflösung des Traditionalen als den Entstehungsprozeß<br />

der Moderne <strong>und</strong> zeigt die positiven Chancen der <strong>gesellschaftliche</strong>n Rationalisierung,<br />

der Kultivierung <strong>und</strong> des individuellen Freiheitsgewinnes auf.<br />

Auf der anderen Seite beschreibt er eben diesen Entstehungsprozeß der<br />

Moderne so, daß der durch ihn geformte moderne Lebensstil bis zum Zerreißen<br />

der individuellen Seele expansiv ist, bis zur Tragik sich selbst entfremdend<br />

<strong>und</strong> bis zur tödlichen Indifferenz vom Verlust des Lebenssinnes<br />

bedroht ist. Besondere Aktualität erhält Simmel dadurch, daß er ein sehr<br />

reflektiertes Bewußtsein davon hat, daß sich die A<strong>mb</strong>ivalenz der Moderne<br />

weder unter Rückgriff auf vormoderne Annahmen noch durch die Betonung<br />

von einem Aspekt der Moderne begreifen oder gar auflösen läßt. Bevor<br />

Simmel alle Zeitphänomene unmittelbar auf das spontane, schöpferische<br />

<strong>und</strong> fließende Leben bezog, hatte er in der Analyse der modernen<br />

Lebensstile einen Diagnoseansatz gef<strong>und</strong>en, der auch heute noch Beachtung<br />

verdient.<br />

Der Begriff des „Lebensstiles" markiert den Brennpunkt, auf den, in<br />

1<br />

der Sprache Simmeis, die individuelle Seele, die <strong>gesellschaftliche</strong>n Wechselwirkungen<br />

<strong>und</strong> die subjektive wie objektive Kultur ausstrahlen. Zu diesen<br />

differenzierten Bereichen der Moderne: Gesellschaft, Kultur, Persönlichkeit<br />

steht ein „Lebensstil" in dem für Simmel charakteristischen Zugleich von<br />

Distanz <strong>und</strong> Beziehung. Damit bestimmt Simmel die Stilisierungen des<br />

Lebens — anders als nach ihm Weber (vgl. M. Weber 1976, S. 537) — als<br />

spezifisch modern, als Reaktion auf die Entwicklungen <strong>und</strong> Veränderungen<br />

der Moderne. Dabei zentriert er in einem gewissen Sinne freilich seine Analyse<br />

in der Perspektive der beteiligten <strong>und</strong> betroffenen Menschen; er fragt<br />

nach dem erlebten Sinn <strong>und</strong> Wert dieser Veränderungen. Er behält, trotz<br />

aller betonten Deskriptivität, eine normative Einstellung gegenüber der Moderne<br />

bei, allerdings, ohne dabei mit einem normativen Maßstab zu operieren.<br />

Ist es nur eine Reminiszenz, die ihn zögern läßt?<br />

Ich möchte an dieser Stelle keine Bewertung von Simmeis Diagnoseansatz<br />

versuchen, sondern zunächst nur dessen Struktur verdeutlichen.<br />

Voraussetzung für Simmeis Analyse moderner Lebensstile ist sein allgemeines<br />

<strong>und</strong> formales Schema der Moderne, das wie ein Gr<strong>und</strong>ton alle seine<br />

Einzeluntersuchungen einfärbt . Die Moderne ist danach charakterisiert<br />

2<br />

a) durch Prozesse der Entsubstanzialisierung,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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