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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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dann lautet sie dahingehend, daß sich „Bildung" — in dem institutionellen<br />

Verständnis, das wir heute mit ihr verbinden — mit einer Disposition für<br />

eben denjenigen Typus der Wertänderung verbindet, den wir in den 60er<br />

<strong>und</strong> 70er Jahren gehabt haben, daß aber die Realisierung <strong>und</strong> Ausschöpfung<br />

dieser Disposition an das Vorhandensein „interagierender" <strong>gesellschaftliche</strong>r<br />

Außenbedingungen geb<strong>und</strong>en ist, denen gewissermaßen die Qualität<br />

von Katalysatoren <strong>und</strong> Verstärkern zukommt.<br />

Die nachfolgenden Hypothesengruppen lassen sich dieser zunächst noch<br />

sehr allgemein <strong>und</strong> abstrakt formulierten Leithypothese allesamt als konkreter<br />

ansetzende Verständnishilfen zuordnen. 8<br />

In einer ersten Hypothesengruppe geht es hierbei zunächst um die sehr<br />

gr<strong>und</strong>legende Tatsache, daß das Bildungssystem in unserer heutigen Gesellschaft<br />

— vor allem in seinen gehobenen Regionen — ein Wissen vermittelt,<br />

das den laufenden Wissenschaftsfortschritt aufnimmt <strong>und</strong> verkörpert. Das<br />

verwissenschaftliche Wissen der Schule <strong>und</strong> Hochschule konkurriert hierbei<br />

mit demjenigen <strong>gesellschaftliche</strong>n Alltagswissen, als dessen Hauptträger sich<br />

die Familie ausmachen läßt.<br />

Die gr<strong>und</strong>sätzliche Veraltetheit des „Bekanntheitsraums" der Familie 9<br />

wird in dieser Konkurrenz manifest <strong>und</strong> erfahrungswirksam. Es verbindet<br />

sich hiermit eine Erschütterung der kognitiven Gr<strong>und</strong>lagen der familialen<br />

Autorität <strong>und</strong> somit ein Beitrag zu deren Entmythologisierung. Es werden<br />

hierdurch aber auch wesentliche Legitimationsstützen der von der Familie<br />

vermittelten Pflicht- <strong>und</strong> Akzeptanzwerte in Frage gestellt. Es entsteht im<br />

Bereich dieser Werte somit eine Wertverunsicherung <strong>und</strong> ein Wertverlust.<br />

Dieser wird durch die im Bildungssystem ermöglichte geballte Kommunikation<br />

mit Gleichaltrigen (mit den sog. „peers") noch verstärkt.<br />

Die zweite Hypothesengruppe kann hier unmittelbar anschließen. Es<br />

geht in ihr um den von der Modernisierungstheorie vielfach beobachteten<br />

<strong>und</strong> erörterten allgemeineren Sachverhalt, daß die Konfrontation mit dem<br />

in den höheren Regionen des Bildungssystems vermittelten Wissen zu einer<br />

inneren Ablösung der Menschen aus ihren sozialen Herkunftsmilieus <strong>und</strong><br />

-bindungen beiträgt. Gut belegt sind in diesem Zusammenhang diejenigen<br />

10<br />

Anhebungen beruflicher Aspirationen über die Sozialschicht der Eltern<br />

hinaus, die sich bei Schülern <strong>und</strong> Studenten aus der unteren Mittelschicht<br />

<strong>und</strong> aus den sog. Unterschichten finden. Allgemeiner ausgedrückt weitet<br />

sich der Handlungsraum aus, in welchen man als junger Mensch seine Zukunftsbilder<br />

hineinprojiziert. An die Stelle von Vorstellungen vorherbestimmten<br />

Lebens treten mehr oder weniger ausgreifende, in abgehobene<br />

Regionen des sozialen Möglichkeitsraums vorstoßende Zielbilder, welche<br />

man typischerweise mit besonderen Fähigkeiten, die man sich selbst zuschreibt,<br />

verbindet. Auch hier ergibt sich der Effekt einer Abwertung von<br />

Pflicht- <strong>und</strong> Akzeptanzorientierungen zugunsten von Selbstentfaltungsbezügen.<br />

Die nachfolgenden Hypothesengruppen drei <strong>und</strong> vier unterscheiden<br />

sich von den beiden ersten dadurch, daß sie den Gesichtspunkt einer mit<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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