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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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über den früheren signifikanten Anderen <strong>und</strong> es besteht gegenüber den<br />

neuen signifikanten Anderen.<br />

An dieser Stelle haben nun auch die immer wieder berichteten emotionalen<br />

Erschütterungen bei Konversionen ihren funktionalen Sinn: Durch sie<br />

verliert nämlich die Wandlung den Charakter kalter Berechnung oder freier<br />

Entscheidung, die prinzipiell auch anders hätte ausfallen können. Sie besiegeln<br />

für den Konvertiten den Bruch mit der Vergangenheit als eine unausweichliche<br />

Notwendigkeit. Ein durch „innere Gewalt" erzwungener Abbruch<br />

der Beziehungen ist für die früheren Interaktionspartner ein zwar<br />

nicht immer zu billigender, zumindest aber verständlicher Gr<strong>und</strong> für die<br />

Veränderung. Und für die Mitglieder der neuen Gemeinschaft kann der<br />

8<br />

emotionale Schock als Beweis dafür gelten, daß dem Konvertiten zu trauen<br />

ist, daß sich die notwendigen noch ausstehenden Maßnahmen der Belehrung<br />

<strong>und</strong> Festigung der neuen Weltsicht lohnen.<br />

Das Durchlaufen des Vorgangs der Konversion hat also für den Konvertiten<br />

<strong>und</strong> seine Interaktionspartner vor allem den Sinn, die prekäre Ernsthaftigkeit<br />

<strong>und</strong> Glaubwürdigkeit seines Sinneswandels verläßlich zum Ausdruck<br />

zu bringen. Der Vorgang als solcher bedeutet daher auch nicht die bereits<br />

vollzogene Übernahme der neuen Weltsicht. Insoweit ist die zu Beginn<br />

referierte Festlegung zu modifizieren. Die Konversion ist aber der als verläßlich<br />

geltende Gr<strong>und</strong>, auf dem die Interaktionen errichtet werden können,<br />

die aus einem Konvertiten ein Vollmitglied der neuen Gemeinschaft<br />

werden lassen können.<br />

6. Und schließlich: was soll heißen, daß ein typisierter Vorgang mit angebbaren<br />

Funktionen als institutionalisiert gelten kann?<br />

Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß man es als allgemein verbreitetes<br />

Wissen auffassen muß, daß man zu Weltanschauungsgemeinschaften der beschriebenen<br />

Art einen angemessenen <strong>und</strong> verständlichen Zugang nur auf die<br />

Art der Konversionen finden kann. Dieses Wissen gehört zum allgemeinen<br />

Wissensvorrat auf ähnliche Weise, wie man weiß, was man im Falle von<br />

Krankheiten zu tun hat. Tiefgreifende Veränderungen der operativen Relevanzsysteme<br />

— das weiß man — „erfordern" Konversionen, <strong>und</strong> jedermann<br />

weiß, daß Konversionen tiefgreifende <strong>und</strong> nur schwer reversible Wandlungen<br />

darstellen, <strong>und</strong> schließlich weiß man auch, daß es völlig unangemessen<br />

wäre, weniger bedeutsame Bewußtseinsänderungen als Konversionen zum<br />

Ausdruck zu bringen.<br />

Dieses allgemeine Wissen umfaßt in der Regel nicht die Kenntnis der<br />

Einzelheiten des Vorganges: diese mögen selbst für den Konvertiten zu Beginn<br />

des Prozesses im Dunkeln liegen. Was dieser Vorgang im einzelnen bedeutet,<br />

wissen aber die Lehrer der neuen Weltsicht oder diejenigen alten<br />

Mitglieder der Gemeinschaft, die den Prozeß selbst durchlaufen haben.<br />

Auch diese erwarten vom Neuling einen glaubwürdigen „Beweis" seiner<br />

wirklichen Überzeugung. Er wird erbracht im Durchlaufen eines Prozesses<br />

der genannten Art. Ein wesentlicher Aspekt der Initiation besteht gerade<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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