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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Es stellt sich dann die Frage nach der Mächtigkeit <strong>und</strong> Funktion von<br />

technischen Gegenmythen. Zunächst kann man festhalten, daß nur ganz<br />

wenige Gruppen einfach die negative Seite der Anfangsmythen weiter ausbauen<br />

in Gestalt eines reinen Mythos vom „Leben ohne Technik". Gegenmythen<br />

dieser Art hat bisher vor allem die Auseinandersetzung mit der<br />

Kerntechnik hervorgebracht. Vielmehr kommt es typischerweise zur<br />

Ausarbeitung von Vorstellungen über ein „Leben mit anderer Technik"<br />

oder „Technik für ein anderes Leben", oder zu beidem.<br />

Sodann wird man sagen können, daß solche Gegenmythen von ganz erheblicher<br />

Bedeutung für die Herausbildung <strong>und</strong> Bündelung einer sozialen<br />

Identität in der Regel sehr disparater Gegenakteure sind. Das ist wiederum,<br />

in einem historisch einmaligen Ausmaß gerade in der B<strong>und</strong>esrepublik, am<br />

Beispiel der Antikernkraftbewegung abzulesen. Dieser Fall zeigt aber auch,<br />

daß Gegenmythen bislang kaum zur Herausbildung alternativer institutioneller<br />

Strukturen auf der Stufe der Wissens- <strong>und</strong> Technikproduktion geführt<br />

haben. Im Fall der Mikroelektronik <strong>und</strong> der Gentechnik dürfte das<br />

nicht anders sein. In der Auseinandersetzung um die Kerntechnik haben<br />

Gegenmythen also vor allem zu einer Verlangsamung <strong>und</strong>, im Zusammenspiel<br />

mit einer zeitweilig recht breiten Abkehr vom umfassenden Wachstumsmythos,<br />

zu einer (zeitweiligen) Blockierung bestimmter Projekte beigetragen.<br />

Die Funktion von Gegenmythen dürfte darüber hinaus in einer Kaschierung<br />

der Interessenlagen von im dominanten System strukturell schwach<br />

verankerten Akteuren liegen. Bemerkenswert ist, daß die Gegenmythen der<br />

Antikernkraftbewegung teilweise eine Verbindung mit Anfangsmythen im<br />

Bereich der Mikroelektronik <strong>und</strong> der Biotechnologie eingegangen sind. In<br />

Form einer „Technik für ein anderes Leben" werden diese Zukunftstechnologien<br />

als zumindest potentiell sanfte, gute Technik gedeutet <strong>und</strong> einer harten,<br />

bösen Kerntechnik gegenübergestellt (Wiesenthal 1982). 6<br />

7. Eine abschließende Überlegung zur übergreifenden Dynamik<br />

Die letzte Beobachtung führt hinüber zur Frage der Interaktionen zwischen<br />

den drei technischen Entwicklungslinien. Man kann, wie eingangs angedeutet,<br />

die Frage nach einer übergreifenden Dynamik sukzessiv sich überlagernder<br />

wissenschaftlich-technischer Schübe auf zweierlei Weise formulieren:<br />

Wird eine Weiterführung des Kurses der Moderne in Richtung einer progressiven<br />

„Rekonstruktion der äußeren, sozialen <strong>und</strong> inneren Natur des Menschen"<br />

stabilisiert durch die weitere Entwicklung quasi-korporatistischer<br />

Steuerungskomplexe, möglicherweise ultrastabilisiert durch technische<br />

Mythenbildung <strong>und</strong> teilweise durchaus funktionale Gegenmythen; oder lernen<br />

<strong>gesellschaftliche</strong> Kräfte, Teile der Öffentlichkeit, soziale Bewegungen,<br />

kritische Wissenschaft, ihre Einwände <strong>und</strong> Widerstände gegen einen solchen<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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