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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Selbstentfaltungswerten hinzuzurechnen ist. Im übrigen ist jedoch der konkrete<br />

Verlauf dieser säkularen, ganz langfristigen Wertwandlungstendenz in<br />

einem hohen Grade nicht-linear <strong>und</strong> instabil <strong>und</strong> somit auch als Gr<strong>und</strong>lage<br />

für Prognosen in die mittlere Zukunft ungeeignet. Für die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

läßt sich feststellen, daß von ihrer Gründung bis zum Beginn der 60er Jahre<br />

von einem „Wertwandel" zunächst noch nicht die Rede sein konnte. Ein<br />

solcher Wandel setzte vielmehr erst Anfang der 60er Jahre (konkret gesagt<br />

um das Jahr 1963) ein. Er entfaltete in den nachfolgenden Jahren eine erstaunliche<br />

Schubkraft, um dann allerdings um die Mitte der 70er Jahre wieder<br />

abzuflauen. Wir haben also, um es ganz deutlich zu sagen, in diesem<br />

Zeitraum einen „Wertwandlungsschub" gehabt, der inzwischen aber zu Ende<br />

gegangen ist, so daß es sehr fragwürdig ist, auch im gegenwärtigen Augenblick<br />

noch von einem in Gang befindlichen oder fortschreitenden Wertwandel<br />

zu sprechen. Wenn ich im folgenden vom „Wertwandel" spreche, so<br />

meine ich immer den Wertwandlungsschub der 60er <strong>und</strong> 70er Jahre, auch<br />

wenn ich dies nicht immer deutlich werden lasse. 2<br />

Meine vierte Aussage knüpft hier unmittelbar an <strong>und</strong> betrifft den Zustand<br />

der Werte, der sich nach dem Abbrechen des Wertwandlungsschubs<br />

vorfindet. Grob gesagt finden wir in der Bevölkerung der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

heute Pflicht- <strong>und</strong> Akzeptanzwerte <strong>und</strong> Selbstentfaltungswerte in einer unentschiedenen<br />

Schwebelage nebeneinander. Dabei lassen sich an den Flügeln<br />

Minderheitsgruppen identifizieren, bei denen entweder die Pflicht- <strong>und</strong><br />

Akzeptanzwerte oder die Selbstentfaltungswerte deutlich überwiegen. Zwischen<br />

diesen Gruppen findet sich jedoch eine breite, jenseits der 50%-Grenze<br />

liegende Majorität, bei der so oder so gelagerte „Mischungen" von Werten<br />

vorliegen. In dieser Majorität haben die Menschen also Wertmuster, die<br />

beide Wertepole zugleich enthalten. Ein gewisses Hin- <strong>und</strong> Herschwanken<br />

der Wertausprägungen zwischen den beiden Polen — oder: eine niedrige<br />

Wertstabilität — scheint zu den Merkmalen der Wertemischung hinzuzugehören.<br />

3<br />

Meine fünfte <strong>und</strong> letzte Aussage betrifft die „soziodemographischen"<br />

Korrelate des Wertwandels (oder, genauer gesagt, des Wertwandlungsschubs)<br />

<strong>und</strong> dies ist eben derjenige Punkt, an welchem nun — aus der Perspektive<br />

der Wertforschung — die Bildung ins Spiel kommt.<br />

Grob gesagt, machte sich der Wertwandlungsschub der 60er <strong>und</strong> 70er<br />

Jahre nämlich vor allem bei jungen Menschen — <strong>und</strong> unter diesen insbesondere<br />

bei Schülern <strong>und</strong> Studenten in der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren<br />

— bemerkbar. Gelegentliche Vorstellungen, der Wertwandel sei ein reines<br />

Jugendphänomen, oder gar eine ausschließliche Erscheinung der Hochschulen<br />

<strong>und</strong> Universitäten, sind allerdings, wie ich gleich hinzufügen möchte,<br />

nicht zutreffend. Ungeachtet deutlicher Intensitätsunterschiede fand ein<br />

in gleicher Richtung verlaufender schwächerer Wertwandel auch bei einem<br />

großen Teil der älteren Menschen statt. Vergleicht man die Werte von jüngeren<br />

mit denen von älteren Menschen seit dem Beginn der 60er Jahre bis<br />

heute, dann kann man feststellen, daß die Jüngeren einen sehr plötzlichen<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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