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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Obwohl Prognosen über Studentenzahlen <strong>und</strong> Lehrerbedarfsprognosen<br />

eigentlich am leichtesten zu erstellen sind, da die Ministerien über die einschlägigen<br />

Zahlen zum guten Teil selbst verfügen, sind diese Prognosen weder<br />

durchweg eingetroffen noch haben sie das Bildungsverhalten wesentlich<br />

beeinflussen können. Ursache ist einmal die Nichtberücksichtigung komplizierter<br />

Parameter, die sich z.B. unter dem Stichwort „Wertewandel" verbergen,<br />

<strong>und</strong> die eine qualifizierte sozialwissenschaftliche Prognose einbeziehen<br />

müßte. Dem „Studentsein" kommt heute eine andere Qualität zu, <strong>und</strong><br />

dieser Lebensabschnitt spielt im gesamten biographischen Entwurf eine andere<br />

Rolle.<br />

Neben dem „Wertewandel" <strong>und</strong> seiner Berücksichtigung in sozialwissenschaftlichen<br />

Prognosen spielen ganz andere politische Gesichtspunkte eine<br />

Rolle im Umgang mit Bildungsprognosen, die mit Bildungspolitik nichts zu<br />

tun haben. So hat beispielsweise die Regionalpolitik einen entscheidenden<br />

Einfluß auf die Standortwahl von Universitätsgründungen gehabt. Da die in<br />

die Randgebiete exportierten Ausbildungsplätze jedoch vorzugsweise zu<br />

den „preiswerten" Literaturfächern zu zählen sind, sind die Berufsaussichten<br />

der Absolventen in den ohnehin „unterentwickelten" Bezirken noch<br />

schlechter als im Durchschnitt.<br />

Probleme der Arbeitsmarkt<strong>entwicklung</strong> <strong>und</strong> Fehlschläge der Wirtschaftspolitik<br />

werden nicht selten dem Bildungswesen angerechnet, anstatt dessen<br />

unbestreitbare Erfolge zu würdigen.<br />

Wildenmann greift das mehrfach angesprochene Problem von Bildungsprognosen<br />

auf: Bildungsprognosen laufen ohne gründliche empirisch-soziologische<br />

Forschung auf ein sinnloses Tun hinaus. Selbst ein so offensichtlicher<br />

Faktor wie die Entwicklung der Geburtenraten wurde lange Zeit<br />

schlicht übersehen. Die Arbeit empirisch-soziologischer Forschung findet<br />

insgesamt nicht die Unterstützung, die sie benötigen würde. Einerseits haben<br />

spekulative Sozialwissenschaften immer noch den größeren Einfluß innerhalb<br />

der Sozialwissenschaft, andererseits sind die Sozialwissenschaften<br />

insgesamt in einem grotesken Ausmaß gegenüber der Förderung von Naturwissenschaften<br />

<strong>und</strong> Ingenieurwissenschaften diskriminiert. Dieser Übelstand<br />

vergrößert die Abhängigkeit von Auftragsforschung, deren Qualität generell<br />

zweifelhaft ist. Das Schlechteste allerdings ist die Parteienforschung samt<br />

ihren Apparaten.<br />

Es sind jedoch nicht nur die Probleme der Forschung, die zur Kritik<br />

herausfordern. Die Bildungspolitik hat nicht gesehen, daß die Bildungsexpansion<br />

nicht Chancengleichheit, sondern Chancenungleichheit vertieft hat.<br />

Sie hat die Durchsetzungsfähigkeit einer „öffentlichen" Versorgungsklasse<br />

ignoriert. Während Partizipation <strong>und</strong> Arbeiterklasse in der Bildungspolitik<br />

zitiert werden, spielt beides faktisch keine Rolle. Politiker <strong>und</strong> Parlamente<br />

sind nicht mehr zu klaren Urteilen in der Lage, da sie zu sehr mit der „Versorgungsklasse"<br />

verschwistert sind.<br />

Wildenmann fordert, das Verhältnis von Bildungspolitik <strong>und</strong> Bildungsforschung<br />

auf eine neue, unbefangene Basis zu stellen, die empirisch-analy-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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