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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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2. Nach den bekannten Arbeiten über die Lebensverhältnisse in den modernen<br />

Großsiedlungen am Stadtrand (vgl. K. Zapf u.a., 1969; R. Weeber,<br />

1971; J.P. Kob, 1972; H. Becker, K.D. Keim, 1977) findet dort die räumliche<br />

Fragmentierung des lokalen Lebenszusammenhangs ihren schärfsten<br />

Ausdruck insofern, als nun die Wohnfunktion von anderen Lebensbereichen<br />

— vor allem der Arbeitswelt — isoliert wurde. Die großflächigen monofunktional<br />

strukturierten Stadtgebiete zwingen den Bewohnern in der<br />

Regel ein spezialisiertes Verhalten auf, indem sie einen kurzfristigen Tätigkeits-<br />

<strong>und</strong> Rollenwechsel erschweren <strong>und</strong> damit einer Zersplitterung eines<br />

sich alltäglich herstellenden Lebenszusammenhangs Vorschub leisten. Über<br />

die reale <strong>und</strong> sy<strong>mb</strong>olisch vermittelte Fragmentierung ehemals zusammenhängender<br />

Lebensformen hinaus produziert die „Parzellierung des Alltags"<br />

(F. Romeiß-Stracke) in monofunktionalen Stadtbereichen wahrscheinlich<br />

auch eine bewußtseinsmäßige Trennung der Lebensbereiche. Ist zunächst<br />

eine Überbrückung der getrennten funktionalen Bereiche ein Problem der<br />

physischen Raumüberwindung einschließlich der damit verb<strong>und</strong>enen Kosten,<br />

insbesondere für ökonomisch benachteiligte Gruppen, so stellt sich das<br />

Problem einer Reintegration ungleich komplizierter, wenn aufgr<strong>und</strong> mangelnder<br />

Erfahrbarkeit der Zusammengehörigkeit verschiedener Lebensbereiche<br />

bei den Betroffenen die psycho-soziale Fähigkeit zur Verklammerung<br />

der Handlungsfelder schwindet.<br />

Die stereotype Reihung von Wohnbauten <strong>und</strong> die vornehmlich vertikale<br />

Stapelung der Wohnungen reduziert — so der durchgehende Tenor der damaligen<br />

Studien — die nachbarlichen Beziehungen auf ein Mindestmaß. Diese<br />

Reduzierung der Nachbarschaft, die als einzig lokal begründete Sozialfiguration<br />

immer wieder vorrangig thematisiert wurde (vgl. zusammenfassend<br />

B. Hamm, 1973), auf ein ritualisiertes Distanzgebaren entfunktionalisierte<br />

sie als soziale Pufferzone zwischen der Sphäre der Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />

der Privatheit <strong>und</strong> entwertete sie als Medium der kollektiven Selbstorganisation<br />

im Prozeß möglicher Aneignung der quartierlichen Umwelt: anstelle<br />

der nachbarschaftszentrierten leben sie in einer familienzentrierten Gesellschaft<br />

(vgl. E. Pfeil, 1972). Weder auf der Ebene sozialer Verkehrsformen<br />

noch über die als Sy<strong>mb</strong>olvermittler ungeeignete Rasterarchitektur konnten<br />

jene identifikatorischen Prozesse in Gang gesetzt werden, die in Altbauquartieren<br />

zunehmend entdeckt wurden.<br />

3. Der innere Stadtu<strong>mb</strong>au wird durch eine sog. „Krisenforschung" (J. Mühlich-Klinger,<br />

1979) begleitet, die möglicherweise eine sozialromantisierende<br />

Verklärung des real existierenden sozialen Milieus mit sich gebracht hat. Diese<br />

häufig im Zusammenhang mit Stadtu<strong>mb</strong>auprozessen durchgeführte Forschung<br />

hat in Altbauquartieren eine soziale Dichte <strong>und</strong> Vielseitigkeit des<br />

quartierlichen Lebenszusammenhangs entdeckt: die verschiedenen Funktionen<br />

sind danach oft kleinräumig vermischt, Arbeit ist auch noch ein integraler<br />

Bestandteil des quartierlichen Lebens, die in der Regel sozial strukturell<br />

abgesunkene Wohnbevölkerung ist oft schon über Generationen ansässig,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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