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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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erwerbstätig war. Das Jahreseinkommen wird nominal durch zwei geteilt,<br />

<strong>und</strong> erst dann wird der entsprechende Steuersatz angewandt. Dieses sog.<br />

Ehegattensplitting kostet zur Zeit 40 Mrd. DM. Für Kindergeld werden rd.<br />

17 Mrd. DM ausgegeben (siehe Sozialberichte der B<strong>und</strong>esregierung).<br />

Da feministische Wissenschaft immer auch feministische politische Strategie<br />

beinhaltet, muß ich an dieser Stelle alle Ehefrauen auffordern, sich<br />

die Hälfte des Jahreseinkommens auch anzueignen, d.h. auf ihr eigenes<br />

Konto überweisen zu lassen. Solange nicht erwerbstätige, teilzeitbeschäftigte<br />

<strong>und</strong> mit der Steuerklasse V erwerbstätige Ehefrauen sich mit Haushaltsgeld<br />

— <strong>und</strong> sei es noch so reichlich — begnügen, werden sich Ehemänner<br />

einbilden, daß sie allein den Familienunterhalt verdienen, daß sie Familienernährer<br />

seien.<br />

Nur durch Einsicht in eine Lohnsteuertabelle oder durch Konsultation<br />

einer Steuerberaterin erfahren sie, wieviel des monatlich ausgezahlten Lohnes<br />

Erwerbseinkommen <strong>und</strong> wieviel Steuerersparnis aus dem Ehegattensplitting<br />

sind. Während Kinder dem Staat — unterschieden nur nach der<br />

Stellung in der Geschwisterreihe — gleich viel wert sind, d.h. für Erst- <strong>und</strong><br />

Einzelkinder werden immer 50,-- DM Kindergeld im Monat gezahlt, erstattet<br />

der Staat für Ehegatten inzwischen bis zu 1.300,- DM monatlich, d.h.<br />

je höher das Einkommen, desto mehr reduziert sich die Steuerschuld, desto<br />

wertvoller wird die Beziehungsarbeit bewertet.<br />

Nur dann, wenn die Ehefrauen sich die Hälfte des Erwerbseinkommens<br />

angeeignet haben, können sie sich als nächstes ihre Erziehungsarbeit anrechnen<br />

lassen. Denn ein Elter kommt seiner Unterhaltspflicht durch Pflege<br />

<strong>und</strong> Erziehung des Kindes nach, der andere leistet Barunterhalt — solange<br />

keine Gleichverteilung der mütterlichen <strong>und</strong> väterlichen Aufgaben stattgef<strong>und</strong>en<br />

hat. Das klingt verwegen, wenn der erwerbstätige Vater aus seinem<br />

Einkommen Kindesunterhalt an die Mutter zahlen soll, die gleichzeitig seine<br />

Ehefrau ist. Aber in einer Gesellschaft, in der zunehmend mehr Ehen<br />

durch Scheidung enden, können sich die Ehepartner nicht früh genug an<br />

die Realitäten gewöhnen.<br />

Wenn die Ehegatten im Falle einer Scheidung aus der privilegierten<br />

Steuerklasse III herausfallen <strong>und</strong> zurückgestuft werden in die Steuerklasse<br />

I oder II, weil keine Beziehungsarbeit mehr stattfindet, die allein ja den<br />

Ehelastenausgleich begründet, dann muß ja auch festgelegt werden, wieviel<br />

Kindesunterhalt derjenige zu zahlen hat an den Elter, der die Erziehungsarbeit<br />

leistet. Ist diesem sorgeberechtigtem Elter eine Erwerbsarbeit nicht zuzumuten,<br />

muß Unterhalt für Erziehungsarbeit gezahlt werden.<br />

Von Wahlfreiheit zwischen Familie <strong>und</strong> Beruf kann überhaupt nicht die<br />

Rede sein. Das Scheidungsfolgenrecht versucht ganz im Gegenteil festzulegen,<br />

wann der sorgeberechtigten Mutter wieviel Erwerbstätigkeit zuzumuten<br />

ist, um die Unterhaltspflicht des Mannes zu senken.<br />

An dieser Stelle können wir der Frage nachgehen, wann eine Frau über<br />

den Heiratsmarkt ihren Lebensunterhalt besser sichern kann als auf dem<br />

Arbeitsmarkt, wann die ökonomische Verführung zur Eheschließung an-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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