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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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ten, die nicht nur fähig sind, eingegebene Informationen zu bearbeiten <strong>und</strong><br />

miteinander auszutauschen, sondern sie selbsttätig in einer Weise zu transformieren,<br />

die sie den Benutzern dieser Technik als neu, die Geräte in diesem<br />

Sinne als kreativ erscheinen läßt: Produktion künstlicher Intelligenz<br />

(Becker 1984; Rich 1983; Ritchie 1984). Äußerst kontrovers wird gegenwärtig<br />

diskutiert, ob — etwa mit der Entwicklung einer fünften Generation<br />

von Computern in Verbindung mit anstehenden Ergebnissen der Gehirnforschung<br />

— eine Stufe der Sy<strong>mb</strong>olverarbeitung zu erreichen ist, in der solche<br />

Systeme so etwas wie eine eigene Semantik erzeugen, quasi-intentionalen<br />

Charakter annehmen werden (in diesem Zusammenhang Dennett 1984).<br />

Worauf es uns hier ankommt, ist, daß die Substitutionsleistungen der<br />

Mikroelektronik in ähnlichen Kategorien gefaßt werden können, wie wir sie<br />

in der Analyse der Kernenergie <strong>und</strong> anschließend der Gentechnik verwenden:<br />

Mikroelektronik als eine Form der schrittweisen Ablösung bestimmter<br />

Handlungskontexte von natürlichen (organismischen) <strong>und</strong> gleichzeitig sozialen<br />

Kontingenzen. Wiederum setzt diese Entwicklung allerdings den Anschluß<br />

an weitere natürliche <strong>und</strong> soziale Kontingenzen voraus: Naturseitig<br />

kommen etwa neue organische Belastungen oder im Verb<strong>und</strong> mit biotechnischen<br />

Entwicklungen Interferenzen mit umfassenderen Ökosystemen ins<br />

Spiel; handlungsseitig ist dieser Prozeß beispielsweise durch soziale Krankheitsbilder<br />

wie die von Weizenbaum (1978) oder Turkle (1984) beschriebenen<br />

obsessiven <strong>und</strong> narzistischen Syndrome, oder die gesamte Problematik<br />

des „gläsernen Menschen" im öffentlichen <strong>und</strong> betrieblichen Bereich<br />

(Seltz 1984), oder die Verwandlung von Ingenieuren in Arbeiter in bestimmten<br />

Industrien, möglicherweise eine umfassende kulturelle Prägung<br />

durch die „Definitionsmacht" der Computertechnik (Bolter 1984) indiziert.<br />

Die anstehende Entwicklung macht eine Vielzahl neuer kognitiver,<br />

institutioneller <strong>und</strong> sozialaffektiver Zusatzleistungen erforderlich, die ihrerseits<br />

gegebenenfalls weitere Substitutionsprozesse ermöglichen.<br />

Im Fall der Gentechnologie wird die bisher übliche Selektion erwünschter<br />

Organismen aus einem vorgegebenen Pool ersetzt durch die Konstruktion<br />

<strong>und</strong> industrielle Produktion von Organismen. Am augenfälligsten<br />

3<br />

wird das in der Anwendung molekulargenetischer Verfahren zur Herstellung<br />

künstlicher Mikro-Organismen, die ihrerseits zur Produktion, Reduktion<br />

oder Veränderung zahlreicher Stoffe eingesetzt werden können. Organismen<br />

werden hier endgültig zu Artefakten. Molekulargenetiker <strong>und</strong> Biochemiker<br />

können nun „machen, was die Natur noch nicht gemacht hat". Damit<br />

ist die Biologie in die Phase einer „synthetischen" Wissenschaft (Winnacker<br />

1984: 58f.) eingetreten <strong>und</strong> erreicht ein technisches Niveau, wie es<br />

im Bereich der Chemie mit der Ablösung der Naturstoffchemie durch die<br />

Chemie der zyklischen Kohlenwasserstoffverbindungen im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

zunächst in der technischen Synthese organischer Farben möglich<br />

wurde.<br />

Gentechnik würde prinzipiell in einer gezielten genetischen Umwandlung<br />

auch höherer Lebewesen kulminieren. Sollte es gelingen, molekularge-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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