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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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DIE GESELLSCHAFTLICHE DYNAMIK ALS THEORETISCHE<br />

HERAUSFORDERUNG<br />

Renate Mayntz<br />

Auf dem letzten Soziologentag war viel von der Krise der modernen Gegenwartsgesellschaft<br />

die Rede, wobei am Ende offenblieb, ob die empf<strong>und</strong>ene<br />

Krise wirklich eine ist. Unbestreitbar ist aber wohl die Existenz einer verbreiteten<br />

Furcht vor krisenhaften Entwicklungen, die möglich scheinen, ob­<br />

1<br />

wohl niemand sie will. Man braucht auch nicht erst die bekannten Schreckgespenste<br />

der ausufernden Massenarbeitslosigkeit, der irreversiblen Umwelt­<br />

2<br />

schädigung, des Zusammenbruchs der Weltwirtschaft oder des Atomkriegs<br />

heraufzubeschwören. Die letzte Dekade hat uns eine Vielzahl weniger apokalyptischer<br />

Entwicklungen beschert, die unerwünscht <strong>und</strong> meist auch unerwartet<br />

waren <strong>und</strong> dazu führten, daß die Planungseuphorie der späten<br />

60er <strong>und</strong> 70er Jahre von einem f<strong>und</strong>amentalen Mißtrauen in unsere Fähigkeit<br />

abgelöst wurde, die Dynamik sozialer, technischer <strong>und</strong> ökonomischer<br />

Entwicklungen zu beherrschen. Die Konjunktur des Themas der Regierbarkeit<br />

bzw. Unregierbarkeit ist ein Indikator für dieses Ohnmachtsgefühl, das<br />

sich paradoxerweise in einer Epoche ausbreitet, in der weltweit in einem nie<br />

vorher dagewesenen Maß versucht wird, die genannten Entwicklungen<br />

steuernd in den Griff zu bekommen.<br />

Als Sozialwissenschaftler betrifft uns dies alles nicht nur vital, sondern<br />

auch im Kern unseres professionellen Selbstverständnisses. Der Politiker wie<br />

jeder, der Entwicklungen handelnd zu beeinflussen sucht, kann sich am Ende<br />

immer damit entschuldigen, daß ihm Macht <strong>und</strong> Mittel fehlten, um eine<br />

bestimmte Wirkung hervorzubringen oder etwas Gefürchtetes zu verhindern.<br />

Vom Sozialwissenschaftler aber wird erwartet, bzw. wir erwarten von<br />

uns selbst, daß wir die <strong>gesellschaftliche</strong> Dynamik, die zu Wertewandel <strong>und</strong><br />

neuen sozialen Bewegungen, zur kontraintuitiven Wirkung mancher staatlichen<br />

Intervention oder auch zu gefürchteten künftigen Ereignissen führt,<br />

wenigstens verstehen. Hier erzeugt jedoch ein summarischer Blick über das,<br />

was unsere Disziplin leistet, ein mindestens a<strong>mb</strong>ivalentes Gefühl. Einerseits<br />

scheint es, daß wir ein außerordentlich hohes Reflexionsniveau erreicht haben.<br />

Die Sozialwissenschaften registrieren viele <strong>gesellschaftliche</strong> Vorgänge<br />

<strong>und</strong> Veränderungen recht sensibel <strong>und</strong> machen sie sofort nach ihrem Auftreten<br />

zum Gegenstand intensiver Analysen; man braucht sich nur einmal<br />

zu vergegenwärtigen, wieviel in den vergangenen Jahren über neue soziale<br />

Bewegungen, Wertewandel, die Auswirkungen moderner Technologien, unkonventionelle<br />

Formen politischer Partizipation <strong>und</strong> andere aktuelle Themen<br />

mehr geschrieben worden ist. Andererseits muß die Tatsache irritieren,<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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