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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Kurs zu institutionalisieren, strategischen Einfluß in Systemen dominanter<br />

Akteure zu gewinnen <strong>und</strong> andere kulturelle Deutungsmuster bis in das<br />

Kernsystem der Wissens- <strong>und</strong> Technikproduktion hineinzutragen?<br />

Manches spricht dafür, die erste Frage mit einem vorsichtigen Ja zu beantworten.<br />

Im Vergleich zur Kerntechnik scheint im Fall der Mikroelektronik<br />

<strong>und</strong>, ganz gezielt, im Fall der Gentechnik die Steuerung des Innovationstransfers<br />

zwischen Wissenschaftssystem <strong>und</strong> Produktionssystem flexibler<br />

<strong>und</strong> offener, die staatliche Katalysatorrolle effektiver organisiert zu<br />

werden. Das politisch-administrative System bemüht sich um die Installation<br />

von Frühwarnsystemen, Ansätze einer Technologiefolgenabschätzung<br />

setzen früher ein, sinnvollere institutionelle Arrangements für die Einbindung<br />

von Öffentlichkeit <strong>und</strong> kritischer Wissenschaft <strong>und</strong> damit Legitimationsbeschaffung<br />

sind zu beobachten (BMFT 1984a: 22-30).<br />

Die zweite Frage wäre also mit einem vorsichtigen Nein zu beantworten.<br />

Die Institutionalisierung von „Gegenmacht" aus der Öffentlichkeit, aus<br />

sozialen Bewegungen <strong>und</strong> aus einer kritischen Wissenschaft hat bislang nur<br />

im Ausstrahlungsbereich der Kerntechnik stattgef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ist insgesamt<br />

schwach geblieben. Die Installation mikroelektronischer Systeme <strong>und</strong> entsprechender<br />

Netze hat vorerst überhaupt nicht zu einer vergleichbaren breiten<br />

Ausarbeitung von Gegenmythen <strong>und</strong> Gegenstrategien geführt. Ein Teilbereich<br />

ist hier von den im System dominanter Akteure wohl verankerten<br />

Gewerkschaften okkupiert, die über erprobte Strategien der Konfliktbegrenzung<br />

<strong>und</strong> -austragung verfügen. Im Fall der Gentechnologie fällt eine<br />

Interpretation noch außerordentlich schwer. Der Stand der öffentlichen<br />

Diskurse <strong>und</strong> die Aufnahme einer parlamentarischen Debatte (Benda 1984;<br />

BMFT 1984b; Deutscher B<strong>und</strong>estag 1984a,b) zu einem Zeitpunkt, zu dem<br />

die industrielle Nutzung noch keine vollendeten Tatsachen geschaffen hat,<br />

könnte für einen <strong>gesellschaftliche</strong>n Lernprozeß sprechen, der über partielle<br />

Rationalitätsgewinne im System dominanter Akteure hinausgeht. Andererseits<br />

dürfte die Mannigfaltigkeit der zu erwartenden physischen <strong>und</strong> sozialen<br />

Risiken <strong>und</strong> die Diffusität der Folgewirkungen biotechnischer Entwicklungen<br />

eine Konzertierung der Gegenstimmen hier erheblich schwieriger<br />

machen als im Fall der Kernenergie.<br />

Insgesamt ist es wohl so, daß die Erfahrungen mit der Kernenergiedebatte<br />

einen gleichzeitig sensibilisierenden <strong>und</strong> kultivierenden Effekt für<br />

Folgedebatten gehabt haben. Kritische einzelne mikroelektronische, biotechnologische<br />

<strong>und</strong> -medizinische Entwicklungen werden allerorts schneller<br />

aufgenommen, während die Debatten insgesamt weniger polarisiert verlaufen.<br />

Es wäre verfrüht, aus diesen Überlegungen zu einer vergleichenden<br />

Technikanalyse ein Resümee zu ziehen. Immerhin scheint uns die Abfolge<br />

von Kerntechnik, Mikroelektronik <strong>und</strong> Gentechnologie zu zeigen, daß im<br />

Bereich der Technik<strong>entwicklung</strong> keine Auflösung von „mythischen Gestalten<br />

in Vernunftwahrheiten" geschieht. Die Komplexität der Verhältnisse<br />

erlaubt es nicht, den Gang der Entwicklung so zu denken, als folge nach<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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