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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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sich die Bewegung der Gesellschaft nur noch an sich selber bricht, kann es<br />

... keinen Punkt (mehr geben), von dem aus sich über Rationalität oder Irrationalität<br />

des Ganzen urteilen ließe" (S. 601).<br />

Das hieße dann, solche Gesells aften könnten keine „vernünftige Identität"<br />

(Habermas 1970) mehr ausbilden . Aber sind sie deswegen selbstdestruktiv?<br />

Um solche selbstdestruktiven Tendenzen aufzuspüren, müßte<br />

3<br />

man zeigen können, daß „freigesetzte" kapitalistische Wirtschaften in der<br />

Verfolgung ihres Expansionspfads ihre eigenen Gr<strong>und</strong>lagen, auf denen sie<br />

aufbauen, aufzehren. Diese Gr<strong>und</strong>lagen müssen unserer Voraussetzung zufolge<br />

nicht im System selbst, sondern im Verhältnis des Systems zu seiner<br />

natürlichen <strong>und</strong> sozialen Umwelt aufgesucht werden. Insofern das kapitalistische<br />

Wirtschaftssystem seine Grenze immer weiter in seine Umwelten<br />

hineinverschiebt — so lautet der ganz abstrakte Gr<strong>und</strong>gedanke — bedroht<br />

es wesentliche Bestandsvoraussetzungen dadurch, daß es seine eigenen<br />

Umwelten in einer Weise verändert, die seinem Funktionieren abträglich<br />

sind.<br />

Eine konkretisierende Auslegung hat dieser Gr<strong>und</strong>gedanke in einer<br />

Überlegung erhalten, die Parsons am Ende seines „Systems der modernen<br />

Gesellschaften" (1972) entwickelt. Die Krise der Moderne, so Parsons, wird<br />

ihr Zentrum nicht in der Wirtschaft, der Politik oder dem Wertesystem<br />

haben, sondern in der <strong>gesellschaftliche</strong>n Gemeinschaft. Gravierende Probleme<br />

entstehen aus der Fortsetzung des Rationalisierungsprozesses an der<br />

Grenze von „System <strong>und</strong> äußerer Umwelt" einerseits, an der Front der<br />

Motivationsgr<strong>und</strong>lagen andererseits. Der „instrumentale Aktivismus", so<br />

möchte ich Parsons Gedanken verdeutlichen, bildet den ethischen Kern des<br />

Kapitalismus. Er äußert sich in einem Rationalismus der Weltbeherrschung,<br />

der zu ständigen Eingriffen in die natürliche Umwelt führt. Gleichzeitig<br />

stellt dieser instrumentelle Aktivismus seine eigene Motivationszufuhr in<br />

Frage. Probleme entstehen dann einmal durch die ständige Grenzverschiebung<br />

von „Ökonomie <strong>und</strong> Ökologie" (Probleme zwischen System <strong>und</strong><br />

äußerer Umwelt) <strong>und</strong> zum anderen aus der Abschwächung jener Motive,<br />

die den „instrumentellen Aktivismus" getragen haben (Probleme zwischen<br />

System <strong>und</strong> innerer Umwelt).<br />

Beide Gefahrenzonen sind aus der wissenschaftlichen Literatur <strong>und</strong> der<br />

öffentlichen Diskussion hinreichend bekannt. Die Idee der Motivationskrise<br />

(Habermas) hat verschiedene Begründungen gef<strong>und</strong>en: Auflösung des bürgerlichen<br />

Sparideals durch die Konsumgesellschaft, Ausbreitung hedonistischer<br />

Orientierungen (Bell), autonomer Wertwandel (Inglehart), Schwächung<br />

der Wertverpflichtung durch das Dominantwerden marktkonformer<br />

Motive des Eigeninteresses etc. Insbesondere F. Hirsch ist in den „the depleting<br />

moral legacy" überschriebenen Abschnitten seines Buchs „Social<br />

Limits to Growth" (1976) dieser Idee nachgegangen, daß der Kapitalismus<br />

seine moralischen Gr<strong>und</strong>lagen auflöst. Ich möchte diese Analyse nicht wiederholen<br />

<strong>und</strong> stattdessen stellvertretend am Konflikt zwischen Ökonomie<br />

<strong>und</strong> Ökologie das Zentralproblem der „Bindungslosigkeit" <strong>und</strong> die mögli-<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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