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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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des gesamten Rationalitätskomplexes für eine <strong>entwicklung</strong>stheoretische<br />

Konstruktion nutzbar machen ließen. Ich muß mich hier mit Andeutungen<br />

begnügen: objektive Richtigkeitsrationalität würde den gesamten Entwicklungsgang<br />

einfach dichotomisieren. Denn wahr ist die moderne Wissenschaft,<br />

<strong>und</strong> alles was davor lag, ist gleich falsch. Dieser Umstand strahlt unmittelbar<br />

auf das Konzept des objektiv richtigen zweckrationalen Handelns<br />

aus, da dies ja durch Wahrheit der Kausalhypothesen definiert ist. Bei materialer<br />

<strong>und</strong> Wertrationalität kann Entwicklung einfach nur in Systematisierung<br />

<strong>und</strong> Logifizierung der letzten Wertgesichtspunkte bestehen. Das aber<br />

ist eben die Essenz von formaler Rationalität. Bleibt die subjektive Zweckrationalität.<br />

Der magisch Handelnde verhält sich subjektiv nicht weniger<br />

oder anders zweckrational als der moderne Techniker. Entwicklung kann<br />

hier nur auf einer Metaebene liegen, also formale Rationalität tangieren. Genauso<br />

argumentiert Weber in seinem Wertfreiheitsaufsatz beim Vergleich<br />

von Magie <strong>und</strong> Physik. 8<br />

Weber war ein sensibler Beobachter seiner Zeit <strong>und</strong> daher konnte ihm<br />

das Problem der Entfremdung, das so typisch zu sein scheint gerade für moderne<br />

Gesellschaften, nicht entgehen. Entfremdung hat natürlich einerseits<br />

entschieden etwas mit der mangelnden Transparenz des heutigen Institutionsgefüges<br />

zu tun. Aber darin liegt nur eine Komponente der Weberschen<br />

Entfremdungstheorie, die der Ergänzung durch das Konzept der formalen<br />

Rationalität bedarf. Denn für sich allein genommen muß mangelnde Transparenz<br />

ja überhaupt keine entfremdenden Implikationen haben, solange das<br />

Institutionensystem nur so funktioniert, daß wir unsere Zwecke ungestört<br />

verfolgen können. Warum werden die modernen Institutionen als Arrangements<br />

erfahren, in denen der Einzelne sich mit seinen Zielsetzungen nicht<br />

ungebrochen aufgehoben fühlen kann? Dies läßt sich erst begreifen, wenn<br />

man die mangelnde Transparenz durch das Konzept der formalen Rationalität<br />

ergänzt. Denn formale Rationalisierung läuft ja darauf hinaus, daß alles<br />

Handeln einem weiteren Kriterium unterworfen wird: es sollen nicht nur<br />

Primärziele erreicht werden, sondern diese sollen dauerhaft, sicher, effizient<br />

etc. erreicht werden. Wo aber zwei Kriterien wirksam sind, kann es auch zu<br />

Konflikten zwischen der Erfüllung dieser Kriterien kommen; können die<br />

Primärziele also beispielsweise zugunsten der mit formaler Rationalität verb<strong>und</strong>enen<br />

notwendigen Metamotive des Handelns beiseite geschoben werden<br />

(Rentabilität versus optimale Güterversorgung z.B.). Da die Handelnden<br />

aber auch diese Metamotive nicht einfach ignorieren können, ohne pragmatische<br />

Paradoxien zu erzeugen (man kann nicht Z wollen, ohne auch zu<br />

wollen, daß es für die Erlangung von Z eine gewisse Sicherheit gibt), lassen<br />

sich in Konfliktfällen die Institutionen nicht ohne weiteres so u<strong>mb</strong>auen,<br />

daß Primärziele eindeutig die Oberhand gewinnen. Das „stahlharte Gehäuse"<br />

ist, so betrachtet, eher als goldener Käfig zu fassen, aus dem wir nicht<br />

herauswollen können, da sonst unsere notwendigen Metamotive verletzt<br />

würden.<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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