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soziologie und gesellschaftliche entwicklung (35 mb) - ISF München

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Kontextes für das Handeln von Individuen, aber auch für Struktur <strong>und</strong> Verhalten<br />

von Organisationen wird viel eher systematisch berücksichtigt als die<br />

umgekehrte Richtung, das Entstehen von Makrophänomenen aus der Verflechtung<br />

<strong>und</strong> Summierung motivierten Handelns.<br />

Das Unbehagen über die mangelnde Erklärungskraft von dominanten<br />

theoretischen Paradigmen speziell für bestimmte dynamische Phänomene<br />

manifestiert sich in jüngster Zeit u.a. in einer Renaissance des Interesses am<br />

Phänomen unbeabsichtigter Handlungsfolgen. Nun sind derartige unbeabsichtigte<br />

Handlungsfolgen sowohl „ein trivialer Alltagstatbestand" als<br />

18<br />

17<br />

auch ein in den Sozialwissenschaften von Anfang an thematisiertes Phänomen,<br />

das, von Popper 1961 zum zentralen Thema sozialwissenschaftlicher<br />

Forschung erhoben, schon von den schottischen Moralphilosophen angesprochen<br />

wurde. Die Renaissance des Themas hat gewiß etwas mit dem<br />

19<br />

Erlebnis mißlungener ökonomischer <strong>und</strong> gesellschaftspolitischer Steuerung<br />

in jüngerer Zeit zu tun. Unbeabsichtigte Handlungsfolgen sind für individuelle<br />

<strong>und</strong> kollektive, private <strong>und</strong> staatliche Akteure in dem Maße ein prak­<br />

20<br />

tisches Problem, wie sie zielorientiert handeln, was heißt, daß dieses praktische<br />

Problem auf <strong>gesellschaftliche</strong>r Ebene mit dem Maß unseres Steuerungsanspruchs<br />

wächst. Daß dies nicht nur ein spezifisch politischer Steuerungsanspruch<br />

sein muß, zeigt symptomatisch das in den USA viel beachtete<br />

Buch des Journalisten Richard Louv, in dem er argumentiert, daß die Amerikaner<br />

als Volk dabei sind, eine Art von Gesellschaft zu schaffen, die sie so<br />

überhaupt nicht wollen. Es ist gerade die hier zum Ausdruck kommende<br />

21<br />

Spannung zwischen kollektiver Verursachung oder <strong>gesellschaftliche</strong>r Eigendynamik<br />

einerseits <strong>und</strong> Steuerungsansprüchen andererseits, die dem Thema<br />

der unbeabsichtigten Handlungsfolgen seine dauerhafte Faszinationskraft<br />

verleiht. Trotzdem ist van den Daele zuzustimmen, wenn er die diesem<br />

22<br />

Thema gewidmeten Beiträge des 20. Soziologentags dahingehend zusammenfaßt,<br />

daß die theoretische Bedeutung des Konzepts unbeabsichtigter<br />

Handlungsfolgen für die Soziologie marginal sei, da die Tatsache des Unbeabsichtigtseins<br />

für das, was da geschieht, von eher nebensächlicher Bedeutung<br />

ist. Die Diskussion unbeabsichtigter Handlungsfolgen ist theoretisch<br />

allerdings insofern durchaus von Interesse, als sie die Aufmerksamkeit auf<br />

das Problem der Transformation individueller Handlungen in kollektive<br />

Phänomene lenkt. Die relevanten Aggregateffekte usw. können jedoch genausogut<br />

auftreten, wenn zweckrational handelnde Individuen ihre Ziele<br />

23<br />

erreichen bzw. wenn überhaupt kein intentionales Handeln stattfindet, sondern<br />

Routineverhalten, Regelbefolgung oder affektive Reaktionen.<br />

Das Konzept der unbeabsichtigten Handlungsfolgen greift als Erklärungsansatz<br />

auch deshalb zu kurz, weil nicht systematisch danach gefragt<br />

wird, aufgr<strong>und</strong> welcher motivationalen <strong>und</strong> strukturellen Bedingungen bestimmte<br />

Arten kollektiver Phänomene entstehen. Hier führen die theoretischen<br />

Ansätze von Norbert Elias, Raymond Boudon <strong>und</strong> Crozier <strong>und</strong> Friedberg<br />

weiter 24 , die unabhängig voneinander entwickelt wurden, aber alle<br />

gleicherweise von der Beobachtung kontraintuitiver oder paradoxer Effekte<br />

Lutz (1984): Soziologie <strong>und</strong> <strong>gesellschaftliche</strong> Entwicklung.<br />

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100776

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