1913 - Det danske Fredsakademi
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DIE FßlEDENS-^MGJZTE<br />
Geburtenrückgang und<br />
Internationalismus.<br />
Von Dr. MaxSeber, Dresden.<br />
Von den Rassentheoretikern wurde schon<br />
ziemlich früh auf die unbestreitbare Tatsache<br />
hingewiesen, daß auch in Deutschland<br />
die Geburtenziffer sich ständig verringert und<br />
hierin eine große Gefahr für den Bestand der<br />
Nation liegt. Diese Warnungsrufe blieben unbeachtet,<br />
bis sich das Preußische Ministerium<br />
des Innern entschloß, dieser Richtung der<br />
Bevölkerungsbewegung ihr Augenmerk zu<br />
schenken. Seitdem hallt es auch bei uns von<br />
den Jammerrufen aus ihrer Ruhe aufgestörter<br />
Patrioten, und Vorschläge aller Art zur<br />
Eindämmung dieses Prozesses hagelt es nur<br />
so. Trotzdem ist in allen Veröffentlichungen,<br />
die sich mit dieser bedeutsamen Frage befassen,<br />
ein gewisser elegischer Zug unverkennbar.<br />
Die Erfahrungen Frankreichs zeigen<br />
doch wohl zur Genüge, wie gering die Aussicht<br />
ist, daß diese rückläufige Art unserer<br />
Menschenvermehrung bald wieder ins Gegenteil<br />
umschlägt.<br />
Die vorliegenden statistischen Tatsachen<br />
sind von einer so unerbittlichen Folgerichtigkeit,<br />
daß man schon ein großer Optimist<br />
sein muß, um an eine Besserung zu glauben.<br />
1876—1885 entfielen auf 10000 Menschen<br />
393 Geburten, 1910: 298, 1911: 286. Anstatt<br />
2 700 000 Geburten hatten wir 1910 nur<br />
1 980 000; 1911 : 1 924 000. Da nun die Städte<br />
eine viel geringere Geburtenhäufigkeit aufzuweisen<br />
haben als dem1 Landesdurchschnitt<br />
entspricht, so ist es klar, daß die Tendenz<br />
der Geburtenminderung ebenso unaufhaltsam<br />
ist wie die Tendenz der Verstadtlichung.<br />
Heute schon leben zwei Drittel des deutschen<br />
Volkes in Städten, und immer noch strömen<br />
die Scharen vom Lande ihnen zu; auch umklammern<br />
besonders die Großstädte, die verhältnismäßig<br />
am wenigsten zur Volksvermehrung<br />
beitragen, immer größere Menschenmassen.<br />
Zweifellos ist aber nicht das Leben<br />
in den Städten selbst die Ursache der kleinen<br />
Geburtenzahlen, sondern die dort den<br />
breitesten Massen gewährte Gelegenheit der<br />
Bildungsaneignung, wodurch die Einsicht in<br />
die Ursachen ungünstiger ökonomischer Verhältnisse<br />
bei jedem1 einzelnen wächst und<br />
der Wunsch wachgerufen wird, deren Wiederholung,<br />
d. h. eben mehr Kinder, zu vermeiden.<br />
Die praktischen Maßnahmen dazu<br />
sind ja bald jedermann bekannt. Die modernen<br />
Bestrebungen, auch das platte Land<br />
durch Volksbüchereien, Wanderredner usw.<br />
am1 kulturellen Leben zu beteüigen, befördern<br />
schließlich auch dort die Rationalisierung des<br />
Geschlechtslebens, so daß auch hier die Geburtenziffer<br />
sinkt. Ein trübes Bild für<br />
unsere Nationalisten der rohen Gewalt ! Der<br />
vorher noch so heitere Firmament ihrer<br />
Ideale, der nur von alldeutschen Phantasie-<br />
100<br />
[§><br />
gestalten, gewaltigen Recken und männermordendem<br />
Schlachtgetümmel erfüllt war,<br />
hat sich plötzlich umwölkt. Die so romantisch<br />
empfindende echt deutsche Männerbrust sieht<br />
sich plötzlich um ihre schönsten Träume von<br />
Weltkrieg und Welteroberung geprellt und<br />
von der Poesie des frischen, fröhlichen Kriegs<br />
zur karbolduftenden Prosa des Wochenbetts<br />
versetzt. Zwar ist die Geburtenzahl allein<br />
für die Bevölkerungsbewegung eines Landes<br />
noch nicht maßgebend; es muß vielmehr<br />
auch die Sterblichkeitsziffer berücksichtigt<br />
werden. Doch kann dem Beweisgrund nicht<br />
entgegengesetzt werden, daß das Gebären<br />
viel mehr eingeschränkt werden kann als das<br />
Sterben. Wenn auch unsere Säuglingssterblichkeit<br />
noch recht hoch ist im1 Vergleich<br />
mit den nordischen Staaten und die Tuberkulose<br />
bei uns doppelt so viele Menschen<br />
dahinrafft als in England, so ist doch nicht<br />
daran zu denken, daß durch das Sinken der<br />
Sterblichkeitsziffer der Fall der Geburten<br />
wettgemacht wird. Der Geburtenüberschuß<br />
wird immer kleiner. 1908—1910 betrug er<br />
noch 880 000; 1911 nur 740 000, woran allerdings<br />
die höhere Kindersterblichkeit im<br />
heißen Sommer dieses Jahres mit Schuld hat.<br />
Ganz besonders bedenklich stimmt aber nun<br />
ein Vergleich der Geburtenbewegung in den<br />
anderen Ländern. Selbst im europäischen<br />
Rußland ist ja ein Rückgang zu verzeichnen,<br />
der aber weit geringer als bei uns ist. Heute<br />
schon übertrifft die Bevölkerungszahl des<br />
Russenreichs die deutsche um1 100 Millionen,<br />
wenn auch das asiatische Rußland mit eingerechnet<br />
wird. Um 1950 wird sie nach Wolf<br />
aber schon 150 Mülionen betragen. Unsere<br />
militärische Stellung wird dieser größten<br />
Ostmacht gegenüber also ebenso hoffnungslos<br />
wie die Frankreichs zu uns. Was soll denn<br />
da nun geschehen ? Gewiß gibt es Wege<br />
genug, die einiges bessern können. Die Bekämpfung<br />
der Geschlechtskrankheiten ist<br />
sicher aussichtsreich, wodurch die natürliche<br />
Unfruchtbarkeit verringert würde. Alle wirtschaftlichen<br />
Maßnahmen aber werden nur<br />
sehr geringen Erfolg haben, denn sie können<br />
doch nur einen verschwindenden Teil der Aufwendungen<br />
ersetzen, die die Geburt und Erziehung<br />
eines Kindes mit sich bringt. Soweit<br />
die rein materielle Denkweise, vor allem<br />
auch der oberen Schichten, als Schuldige angesehen<br />
werden muß, läßt sich sicher auch<br />
durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung<br />
etwas erreichen, doch wiederum' nur<br />
in Verbindung mit einer allgemeinen Hebung<br />
unseres Bildungsstandes, was keine Sache von<br />
heute auf morgen ist. So sehen wir denn ganz<br />
klar, daß es sich nur darum1 handeln kann,<br />
die Folgen dieses nicht mehr zu ändernden<br />
Zustandes zu beseitigen, da dieser selbst<br />
nicht mehr umzukrempeln ist und, vom<br />
sozialen Gesichtspunkt aus betrachtet, es<br />
auch nicht soll. Die Gefahr, die den Völkern<br />
hoher Kultur infolge ihrer geringeren Ver-