1913 - Det danske Fredsakademi
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DIE FRIEDENS -^MfißTE [§><br />
die sie richtig einzuschätzen versäumten, zunichte<br />
gemacnt sehen. Die französische Politik<br />
suchte nach dem Kriege Rußland zu stärken,<br />
um ein Gegengewicht gegen Deutschlands Einfluß<br />
zu schaffen, und begünstigte daher die<br />
Anlage französischen Geldes in Rußland. Dies<br />
hatte aber folgendes Ergebnis : der deutsche<br />
Handel stieg dort von 15 auf 45'%. Deutschland<br />
beherrscht Rußland kommerziell dank des<br />
französischen Geldes.<br />
Dieselben Tatsachen hatten vor kurzem<br />
unmittelbaren Einfluß aui ünglands auswärtige<br />
Politik. Sie bestimmten wahrscheinlich die<br />
Handlungsweise derjenigen Macht, mit der es<br />
im Sommer 1911 zufällig in Gegensätze geriet.<br />
Daß die Abhängigkeit der deutschen<br />
Industrie von der allgemeinen finanziellen<br />
Sicherheit Europas, der Umstand nämlich, daß<br />
große Störungen im Kreditwesen sie bis auf<br />
ihre Grundlagen erschüttern würden, Deutsch-<br />
lands Politik im1 August 1911 sehr stark be-<br />
daß sie der entscheidende<br />
stimmten, ist gewiß ;<br />
Faktor war, ist wahrscheinlich, — weil die<br />
durch die Störung bedrohten Interessen ungeheuer<br />
wichtiger waren, als die, welche durch<br />
sie gefördert werden sollten. Auch hier ist<br />
wichtig zu bemerken, daß die deutschen Staatsmänner<br />
die tatsächliche Lage nicht von selbst<br />
erkannt hätten; es brauchte die unmittelbare<br />
Vermittlung von Führern der deutschen Finanz,<br />
damit der deutsche Minister des Auswärtigen<br />
das Ausmaß der bedrohten Interessen<br />
voll würdigen konnte.<br />
Die Bedeutung einer derartigen Tatsache<br />
liegt nicht darin, daß die Politik irgendeines<br />
Ministers oder eines Landes versagte, sondern<br />
daß die Mißverständnisse, die nicht nur einem<br />
Lande, sondern ganz Europa eine schwere Last<br />
auferlegten, nur durch diese Unwissenheit<br />
entstanden sind; daß eine endgültige Lösung<br />
der wichtigsten und dringlichsten Probleme<br />
unserer Zeit oder auch bloß ein Schritt zur<br />
Besserung dieser allgemeinen Verhältnisse<br />
nicht möglich ist, solange man in Europa die<br />
einschlägigen Tatsachen nicht besser kennt<br />
als bisher.<br />
So wird zum Beispiel allgemein zugegeben,<br />
daß eine große Gefahr eines<br />
Zwistes zwischen England und Deutschland<br />
besteht, der nicht auf einem tatsächlichen<br />
Interessenwiderstreit zurückgeht, sondern auf<br />
allgemeines Mißtrauen und Mißverständnis,<br />
auf gegenseitige Unkenntnis dessen, was eines<br />
oder das andere der beiden Länder zu unternehmen<br />
vorhat, wobei ein jedes dem anderen<br />
Absichten zuschreibt, deren Ausführung selbst<br />
bei oberflächlicher Prüfung töricht oder nutzlos<br />
wäre.<br />
Was für Quellen stehen jemandem zu Gebote,<br />
der die Verhältnisse von Volk zu Volk<br />
zum Zwecke wissenschaftlicher Darstellung und<br />
richtigen Erklärung der durch sie bedingten<br />
Folgen — etwa ähnlich wie der vorhin angedeuteten<br />
— studieren will.<br />
Gegenwärtig wird ein systematisches Stu-<br />
dium dieser Entwicklungsstufe der internationalen<br />
Verhältnisse nicht betrieben. Ein Studium<br />
dieser Art kann am besten durch ein<br />
Zusammenarbeiten in Vereinigungen, wie die<br />
C. U. W. and P. S. bewirkt werden. Ein derartiger<br />
Verein sollte Leute von möglichst verschiedenen<br />
Ansichten umfassen, — geradesoviel<br />
solche, die sich besonders für die Kriegskunst<br />
interessieren als solche, deren Interesse<br />
mehr der Einfluß dieser Dinge auf den Fortschritt<br />
der menschlichen Gesellschaft beansprucht.<br />
Wenn der Verein eine gewisse Zahl<br />
von Feinden der Friedensbewegung umfaßt,<br />
so ist es um so besser. Sie werden durch ihre<br />
Fragestellung die Forschungen der übrigen<br />
anregen, während sie ihrerseits für ein besseres<br />
Verständnis von Tatsachen, die selbst vom<br />
rein militärischen Standpunkt nicht mehr<br />
länger vernachlässigt werden können, gewiß<br />
Nutzen ziehen werden. Denn für einen Soldaten<br />
ist es nicht nur wichtig zu wissen, inwieweit<br />
ein Staat seine Zwecke durch Militärmacht<br />
erreichen kann, sondern die angedeuteten<br />
Probleme stehen in engem Verhältnis<br />
zu den Einzelheiten der Ausnützung der Militärmacht<br />
als Mittel zum Zweck und bilden so<br />
einen wichtigen Teil seiner Studien der Kriegsführung.<br />
Die Aufmerksamkeit könnte vorerst<br />
etwa auf folgende eng umgrenzte Punkte<br />
gelenkt werden<br />
1. Inwieweit sind der moderne Besitz<br />
und Handel durch die Entwicklung des<br />
Kreditwesens und die dadurch bedingte<br />
gegenseitige Abhängigkeit der volkswirtschaftlichen<br />
Mittelpunkte durch militärische<br />
Eroberungen nicht antastbar ?<br />
2. In welchem Ausmaße hindert die<br />
größere Kompliziertheit des modernen industriellen<br />
Lebens die Anwendung des Heeresmechanismus<br />
oder macht ihn überhaupt unmöglich<br />
? (z. B. könnten Staaten wie Deutschland<br />
ihre industrielle Bevölkerung eine<br />
längere Zeit nach einer allgemeinen Mobilisierung,<br />
der Unterbrechung der Verkehrsmittel<br />
und der Unordnung im Kreditwesen<br />
ernähren ?)<br />
3. In welchem Ausmaße bedingen diese<br />
Faktoren die Nutzlosigkeit der Anwendung<br />
der Militärmacht zu handelspolitischen<br />
Zwecken; und was lehrt der Wohlstand der<br />
kleineren Staaten für das Verhältnis der<br />
Militärmacht und des militärischen Ansehens<br />
zu wirtschaftlichen Vorteilen ?<br />
4. Inwieweit hat die Entwicklung einer<br />
billigen Presse und anderer Propaganda- und<br />
Agitationsmittel der lokalen Selbstverwaltung<br />
so große Kraft gegeben, daß militärischer<br />
Zwang auf anderen als wirtschaftlichen Gebieten<br />
unmöglich wurde ? (z. B. welche<br />
Lehren sind aus der Verleihung einer Verfassung<br />
an Elsaß-Lothringen und dem unlängst<br />
erfolgten Zusammenbruch des kolonialen<br />
Steuersystems Frankreichs zu<br />
ziehen).