1913 - Det danske Fredsakademi
1913 - Det danske Fredsakademi
1913 - Det danske Fredsakademi
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
@= = DIE FRIEDEN5-WARXE<br />
fern von der Großstadt auf dem Lande, wo<br />
die Schüler in innigem Verkehr mit der Natur<br />
aufwachsen. Körperliche Uebungen, Wanderungen<br />
und Sport sorgen für die Kraft und<br />
Gesundheit des Schülers und zugleich dafür,<br />
daß jene atavistischen Kampftriebe, die die<br />
Jungdeutschen zur alten Wildheit reaktivieren<br />
wollen, kultiviert, d. h. vom Willen zu<br />
schaden befreit und durch die Vernunft geregelt<br />
und beherrscht werden. Denn nicht<br />
zum Kampf ums Dasein, wie das öde Schlagwort<br />
lautet, soll nach Wyneken der Mensch<br />
erzogen werden, sondern zum Zusammenwirken<br />
mit seinesgleichen, nicht zur Zerstörung, sondern<br />
zum Bau an dem großen Werke der<br />
Kultur. — Der Unterricht findet statt nicht<br />
auf Grundlage der Autorität und des blinden<br />
Gehorchens, durch die jetzt Lehrer und<br />
Schüler in zwei feindliche Lager gespalten<br />
werden, sondern nach dem Prinzip der Selbständigkeit<br />
und der „Selbsttätigkeit". An die<br />
Stelle der Dressur und des Drills, des Ar><br />
hörens und papageienartigen Aufsagens ist die<br />
eigene Anschauung und die eigene Tätigkeit<br />
getreten, sowie der freie kameradschaftliche<br />
Verkehr zwischen Lehrern und Schülern.<br />
Ganz besondere Pflege wird in der Neuschule<br />
der Ausbildung des Charakters gewidmet,<br />
die in unserer Kultur leider so ent-<br />
setzlich vernachlässigt wird, daß man, wie ich<br />
glaube, sagen muß : für die Charaktererziehung<br />
ist sogar bei den Wildvölkern, bei den<br />
Eskimos und Indianern besser gesorgt als bei<br />
unsern „Kultur"völkern (vgl. die Kriminalstatistik,<br />
besonders die Zahl der jugendlichen<br />
Verbrecher). Was schon Aristoteles wußte, in<br />
der Wynekenschule ist es zur Tat geworden<br />
nicht durch Moralpredigten oder gar durch<br />
religiöse Dogmen erzieht man den Charakter,<br />
sondern gerade wie man das Schwimmen nur<br />
im Wasser lernt, durch die Sittlichkeit der<br />
Tat, durch die frühzeitige Gewöhnung, durch<br />
die praktische Ausübung einer gerechten und<br />
edlen Handlungsweise, die dann so in Fleisch<br />
und Blut übergeht, zur Uebung und Gewohnheit<br />
wird, daß der Mensch gar nicht mehr<br />
anders als anständig handeln kann. Daher<br />
müssen Kinder sozial auferzogen werden<br />
durch wohlgeleiteten Umgang erziehen sie sich<br />
selber und schleifen sich jene sozialen Untugenden<br />
ab, deren allgemeine Verbreitung<br />
gegenwärtig das Leben vielfach so häßlich<br />
macht. Daher ist in der Wynekenschule das<br />
Prinzip der Selbstregierung der Schüler<br />
in der glücklichsten Weise durchgeführt<br />
worden. Die Charaktererziehung wird außerdem<br />
noch gefördert durch die besondere<br />
Pflege, die bei Wyneken die sogenannten Gesinnungsfächer<br />
finden. Der geistlose, rein<br />
äußerliche Geschichtsunterricht (Jahreszahlen)<br />
ist durch die soziologische Betrachtungsweise<br />
vergeistigt. Die Bürgerkunde üben sich die<br />
Schüler in ihrer „Freien Schulgemeinde"<br />
praktisch selber ein. Die schönen Künste,<br />
besonders auch die Musik, werden nicht spiele-<br />
risch, sondern mit tiefem Ernst betrieben, so<br />
daß sie ihre veredelnde Macht voll entwickeln<br />
können. An die Stelle des überwundenen<br />
Dogmenglaubens setzt Wyneken<br />
eine Religion des Herzens, die die Kinder<br />
zu Kulturträgern erzieht, zu Gliedern eines<br />
großen Ganzen, einer wahren Kulturgemeinschaft,<br />
und anstatt des blöden und rohen<br />
Chauvinismus (der, wie schon der hl.<br />
Augustinus wußte, nichts anderes ist, als der<br />
Haß gegen andere Völker) lehrt er jenen<br />
edlen „Kulturpatriotismus", der sich zwar mit<br />
Begeisterung dem eigenen Volk hingibt, zugleich<br />
aber in den andern Völkern gleichberechtigte<br />
Organe der zum höchsten strebenden<br />
Kulturmenschheit erkennt.<br />
Trotz so hoher Anforderungen ist aber<br />
Wyneken keineswegs der Anschauung, daß<br />
die Jugend bloß als eine Zeit der Vorbereitung<br />
betrachtet werden darf, sondern zugleich als<br />
ein vollwertiger Abschnitt des Lebens, worin<br />
der der Jugend so eigene Frohmut sich ausleben<br />
und auswirken kann. —<br />
Alle diese Grundsätze hat Wyneken zu<br />
einem harmonischen System vereinigt und in<br />
verschiedenen, höchst wertvollen Schriften dargelegt,<br />
so in den Wickersdorfer Jahrbüchern,<br />
ferner in der jetzt im drtiten Jahrgang erscheinenden<br />
Zeitschrift „Die Freie Schulgemeinde",<br />
besonders aber kürzlich in einem<br />
in außerordentlich schöner Sprache geschriebenen<br />
Buch: „Schule und Jugendkultur".<br />
(Jena, Diederichs, <strong>1913</strong>.)<br />
Aber nicht nur in Worten, auch in Werken<br />
hat Wyneken seine pädagogischen Ideen<br />
durchzuführen gestrebt. Zunächst gründete er<br />
unter großen Opfern und Anstrengungen die<br />
„Freie Schulgemeinde" in Wickersdorf (in<br />
Thüringen), und wie gut es ihm gelungen ist,<br />
in jener Anstalt seine Absichten zu verwirklichen,<br />
mag folgende Stelle zeigen, die aus<br />
der Feder eines Wickersdorfer Studenten herrührt,<br />
und deren Inhalt für den Geist der<br />
Wyneken-Schule bezeichnend ist: „Wenn ein<br />
Abiturient der Freien Schulgemeinde Wickersdorf"<br />
(heißt es darin) „die Hochschule bezieht,<br />
so wird ihm mit voller Schärfe fühlbar<br />
werden, was wir meinen, wenn wir der Hochschule<br />
das Prädikat einer Kulturstätte absprechen.<br />
Wie ist er gewohnt zu leben? Er<br />
hat bisher mit älteren und jüngeren zusammen<br />
ein geregeltes Dasein geführt, hat mit ihnen<br />
gearbeitet, Gymnastik und Sport getrieben, ist<br />
mit ihnen im großen, lichten Speisesaal zu<br />
Tisch gegangen, jede Mahlzeit ein kleines<br />
Fest voll Regel und Rhythmus. Er ist mit<br />
seinen Kameraden gewandert, hat mit ihnen<br />
musiziert und Theater gespielt, hat mit<br />
wachem Sinn teilgenommen an regelmäßigen<br />
Vorlesungen und Musikabenden in größerer<br />
oder kleinerer Gemeinschaft. Er ist gewohnt,<br />
im engeren Kreis der selbstgewählten Kameradschaft<br />
wie im Schülerausschuß und in der<br />
alle umfassenden Schulgemeinde als ein freier,<br />
371