1913 - Det danske Fredsakademi
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für irgendeine europäische Infanterie jährlich<br />
600 Millionen ausgegeben werden und<br />
daß die kommandierenden Generale darauf<br />
verfallen, für die einzelnen Kompagnien<br />
Maschinengewehre anzuschaffen, so stehen<br />
dafür bei 5 o/o 30 Millionen zur Verfügung.<br />
Es ist selbstverständlich, daß eine derartige<br />
Maßregel die entsprechenden Gegenmaßregeln<br />
in der benachbarten Nation hervorrufen<br />
müßte, daß also eine Rüstungssteigerung<br />
zwar nicht auf dem Gebiete der Gesamtausgaben,<br />
aber innerhalb der einzelnen Budgetposten<br />
ihren Fortgang nehmen würde.<br />
Ganz besonders schwierig müßte sich das<br />
von Quidde intendierte Abkommen durch<br />
seinen dritten Artikel gestalten. Nehmen<br />
wir an, irgendeine Marine soll nach einem<br />
bestimmten Programm bis zum Jahre 1920<br />
ausgebaut werden, so wird die gegnerische<br />
Marineverwaltung sich selbstverständlich<br />
sagen, daß durch die programmäßige Vollendung<br />
der feindlichen Kriegsflotte die eigene<br />
Flotte bedroht werde, wenn nicht die nötigen<br />
Gegenrüstungen durchgeführt werden. Stellen<br />
wir uns vor, das erwähnte Programm bestimmt,<br />
daß im ersetn Biaujahr vier, im<br />
zweiten fünf, im dritten sechs usw. Dreadnoughts<br />
gebaut werden sollen, so ergibt<br />
sich daraus mit Naturnotwendigkeit, daß das<br />
Normalbudget, das auf vier Panzerschiffe angegeben<br />
sein mag, im zweiten und dritten<br />
Baujahr überschritten wird, daß demnach der<br />
sich bedroht fühlende Nachbarstaat sich bemühen<br />
wird, das nötige Gegengewicht in die<br />
Wagschale zu werfen. Vielleicht an keinem<br />
Punkte zeigt sich so deutlich wie an diesem,<br />
daß ein Vertrag betreffend Rüstungsstillstand<br />
nicht möglich ist, solange sich die Mächte<br />
als feindselige Konkurrenten gegenüberstehen.<br />
Wenn Quidde meint, ein Staat, der sich<br />
zur Dislozierung einzelner Armee- und<br />
Flottenteile entschließt, werde sich bereit<br />
finden lassen, den Mitkontrahenten von<br />
diesem Plan ein halbes Jahr vor der Ausführung<br />
desselben Kenntnis zu geben, so bewundere<br />
ich die politische Glaubenskraft, die<br />
in diesem Gedanken niedergelegt ist, ich<br />
muß aber bekennen, daß mir der Glaube an<br />
diese Botschaft fehlt; hat sich doch in der<br />
bisherigen Geschichte immer gezeigt, daßi<br />
derartige Verschiebungen ganz plötzlich und<br />
überraschend vorgenommen wurden. Und<br />
niemand kann verkennen, daß dadurch tatsächliche<br />
Machtveränderungen sich vollziehen.<br />
Es wird nicht nötig sein, zur Feststellung<br />
dieser Tatsache ein Schiedsgericht anzurufen.<br />
Wenn dann Quidde in Artikel 4 der Meinung<br />
Ausdruck gibt, daß diejenigen Ausgaben,<br />
die ein Staat aufwenden müsse, um<br />
sich gegen gewisse in den Vertrag nicht einbeschlossene<br />
Mächte zur Wehr zu setzen, dem<br />
Normalbudget nicht zuzurechnen seien, so<br />
zeigt sich aufs neue, daß er hier mit Zu-<br />
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&<br />
ständen rechnet, die in Wirklichkeit nicht<br />
durchsichtig genug sind, um beruhigend<br />
wirken zu können. Stellen wir uns doch einmal<br />
vor, es gelänge zwar, die europäischen<br />
Staaten zu dem von Quidde vorgeschlagenen<br />
Vertrag zu vereinigen, die russische Diplomatie<br />
reüssiere aber nicht in dem Bestreben,<br />
Japan für den Rüstungsstillstand zu gewinnen,<br />
so würde Rußland mit Recht erklären, es<br />
müßte eine Mehrrüstung auf sich nehmen,<br />
um das feindselige Inselreich im fernen Osten<br />
im Schach zu halten. In derselben Zeit aber<br />
ergäbe sich ein diplomatischer Konflikt<br />
zwischen Rußland Und Deutschland, so ist<br />
doch mit mathematischer Sicherheit anzunehmen,<br />
daß Rußland die ursprünglich antijapanische<br />
Mehrrüstung in antideutschem<br />
Sinn verwenden würde, und schon die leise<br />
Möglichkeit einer derartigen Verwendung<br />
würde der deutschen Staatskunst genügen,<br />
eine militärische Mehrforderung an den Reichstag<br />
z*ü bringen, womit offenbar der ganze<br />
Vertrag über den Haufen geworfen wäre.<br />
Ich kann nach alledem die Gutgläubigkeit<br />
Quiddes nicht teilen, die er in Artikel 6 zum<br />
Ausdruck bringt, wonach die Mächte sich<br />
verpflichten, den Vertrag loyal zu halten.<br />
Solange sie sich nun einmal auf dem Kriegsfuß<br />
gegeneinander befinden, werden sie ebensowenig<br />
wie die sich auf dem Kriegspfad<br />
tummelnden Indianer darauf verzichten, von<br />
den sittlich anfechtbaren Mitteln der List<br />
und Hintergehung, der Spionage und bezahlten<br />
Verrats, Gebrauch zu machen. Man<br />
kann von einem faulen Baum nicht gute<br />
Früchte erwarten, und aus der unsittlichen<br />
Grundlage des Kriegszustandes kann nicht das<br />
Aehrenfeld der Loyalität und wahrhaft friedlicher<br />
Gesinnung aufsprießen. Es ist nicht<br />
die Verbohrtheit in irgendeine Theorie, die<br />
mich hindert, den Quiddeschen Vorschlägen<br />
zuzustimmen. Es ist einfach der Blick für<br />
die Wirklichkeiten des Lebens, der mir zeigt,<br />
daß die Frage der Abrüstung wie des<br />
Rüstungsstillstandes, solange das internationale<br />
Faustrecht gilt, unlösbar ist. Die Geschichte<br />
der letzten Jahrzehnte dürfte unzweideutige Belege<br />
dafür in sich schließen. Eugen Schlief<br />
hat recht gehabt, wenn er nicht als Theoretiker,<br />
sondern als praktischer Kopf den<br />
„Staatengrundvertrag" als Voraussetzung jeder<br />
dauernden Annäherung der Völker betrachtete.<br />
Erst wenn sich die Staaten ihren gegenwärtigen<br />
Besitzstand garantiert haben werden,<br />
erst wenn sie aus Konkurrenten Associes geworden<br />
sein werden, erst wenn die Brücke<br />
zwischen Dreibund und Tripelentente geschlagen<br />
sein wird, erst dann*) kann man an<br />
*) Ich bin im allgemeinen ein Gegner der<br />
Methode des „erst dann". Der Quiddesche<br />
Entwurf sollte nach Absicht des Verfassers<br />
keinen anderen Zweck haben, als die Erörterung<br />
anzuregen. Umfrids Artikel ist also bereits eines<br />
dieser gewollten Ergebnisse Quiddes. Es ist<br />
gut, daß diese Anschauung Umfrids wieder ein-