1913 - Det danske Fredsakademi
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m DIE FRIEDEN5-^fc*\RXE<br />
keit. Das ist aber gerade das einzige Prinzip,<br />
das bislang niemals beachtet worden ist.<br />
— Seit Urzeiten hieß es Gewalt und Macht.<br />
Die Bemühung, an Stelle dieser beiden Recht<br />
und Billigkeit zu setzen, die führt den Namen<br />
Pazifismus, und es ist ihr ja schon gelungen,<br />
sichtbare und wirksame Organe in die Erscheinung<br />
zu rufen. Das Haager Tribunal<br />
steht da. Aber unfertig. Noch kann es von<br />
den Liebhabern der Macht und der Gewalt<br />
unbeachtet bleiben. In jüngster Zeit ist im<br />
politischen Felde ein neuer<br />
getaucht: Gleichgewicht.<br />
Fetisch auf-<br />
Schlagworte<br />
sind wie Moden; sie verbreiten sich mit derselben<br />
Raschheit, sie erfreuen sich derselben<br />
Beliebtheit und sie drängen sich mit derselben<br />
Tyrannei auf, wie — neue Hutformen<br />
oder ein neuer Gesellschaftstanz. Das durch<br />
den Balkankrieg verschobene Gleichgewicht<br />
der europäischen Allianzen diente als Begründung<br />
der deutschen Milliardenwehrvorlage<br />
und der darauf folgenden dreijährigen<br />
Dienstzeit in Frankreich; das mangelnde<br />
Gleichgewicht zwischen de# Balkanverbündeten<br />
zwang sie, sich zu zerzanken und sich<br />
zu zerfleischen; Rumänien konnte kein Ueb ergewicht<br />
der Bulgaren dulden und rückte mit<br />
500 000 Mann dagegen aus, war aber sofort<br />
bereit, falls Bulgariens Gegner ein Uebergewicht<br />
gewännen, auch gegen diese sich zu<br />
kehren. Die patriotische Begeisterung der Rumänen<br />
hätte sich heute in Haß gegen die Bulgaren,<br />
Imorgen 'gegen! die Serben und Griechen<br />
äußern müssen, je nach den Erfordernissen<br />
des Gleichgewichts. Alle. Verhandlungen<br />
über Grenzregulierungen berufen sich auf das<br />
Gleichgewichtsbedürfnis. Der König von<br />
Griechenland in seiner Proklamation, die<br />
Delegierten auf der Bukarester Konferenz,<br />
alle gebrauchen sie das Zauberwort. Sogar<br />
im1 französischen Senat bei der Verhandlung<br />
des Gesetzes über die dreijährige Dienstzeit<br />
führte General Pau unter allgemeinem<br />
Beifall aus: ,,Es genügt nicht, stark zu<br />
sein, wir müssen auch dem Gegner Respekt<br />
vor unserer Kraft einflößen. Dazu ist notwendig,<br />
aus unserer militärischen Organisation<br />
jedes dem Gleichgewicht der<br />
Kräfte widersprechende Prinzip<br />
auszuschalten. Anders handeln, hieße<br />
den Gegner in Versuchung führen." Um<br />
recht sicher zu ruhen — das hat man uns<br />
schon lange gelehrt — , müssen die Staaten<br />
sich auf Bajonette setzen; und um sich in<br />
'dieser bequemen Stellung zu erhalten, müssen<br />
sie — das ist die neueste Errungenschaft —<br />
eine Balancierstange handhaben.<br />
Der zweite Balkankrieg — nämlich der<br />
Beuteverteilungskrieg<br />
des ersten — ist zu<br />
zwischen den<br />
Ende. Am 7.<br />
Siegern<br />
August<br />
verkündete die europäische Presse den<br />
„Frieden von Bukarest" und jubelte, daß nun<br />
die Welt von dem Alp dieses fürchterlichen<br />
Krieges befreit ist, und die Gefahr einer<br />
europäischen Konflagration nicht mehr droht.<br />
Nicht dieser Krieg war ein Alp, sondern der<br />
Krieg als Institution lastet schwer auf der<br />
menschlichen Gesellschaft, und die Gefahr<br />
eines europäischen Brandes ist so lange nicht<br />
behoben, als die beiden Mächtegruppen sich<br />
nicht zusammenschließen. Nicht der „Frieden<br />
von Bukarest" bringt irgendwelche Bürgschaft<br />
oder Erlösung, wohl aber kann der<br />
Verlauf des Balkankrieges dem übrigen<br />
Europa den Anstoß geben, sich zu diesem<br />
rettenden Zusammenschluß aufzuraffen. Auf<br />
der kleinen Halbinsel standen sich eine Million<br />
und zweimalhundertausend Soldaten gegenüber<br />
und die addierten Ziffern der Toten —<br />
ohne die Ermordeten und die Opfer der<br />
Cholera und anderer Epidemien dazuzurechnen<br />
— ergeben die Zahl 350 000. Die<br />
finanziellen Kosten betragen fünf Milliarden.*)<br />
Ich möchte den Mathematikern des Gleichgewichts<br />
raten, einmal statt der Balancierstange<br />
eine Wage und eine Rechentafel zur<br />
Hand zu nehmen und folgende Abwägungen<br />
und Berechnungen vorzunehmen: 1. Wie verhalten<br />
sich die gegebenen Verluste zu den durch<br />
den ganzen Feldzug erreichten Gewinnen ?<br />
2. Was hätten jene Länder mit den geopferten<br />
Menschenkräften unter Anwendung der geopferten<br />
Geldkraft an Kulturfortschritten erreichen<br />
können? 3. Wie hoch würden sich<br />
die Verluste beziffern, wenn statt der kleinen<br />
Balkanstaaten die europäischen Großmächte<br />
miteinander Krieg führten ?<br />
Uebrigens ist der ganze „Balkanfrieden"<br />
ziemlich prekär. Er wurde aus purer Erschöpfung<br />
geschlossen. Bulgarien in seiner<br />
Not, bedrängt von fünf Feinden, muß alle<br />
diktierten Bedingungen annehmen, tut es aber<br />
unter dem Vorbehalt, daß es auf eine Revision<br />
der Mächte oder auf eine künftige Revanche<br />
hofft. Versöhnung, Verbindung liegt da nicht<br />
vor, sondern ein durch gegenseitiges Gemetzel<br />
und gegenseitige Verleumdung gesäter ungeheurer<br />
Haß. Zudem ist noch eine große<br />
ungelöste Komplikation da: Die Totgeglaubten<br />
Türken sind wieder in Adrianopel einmarschiert<br />
und die türkische Armee schwört,<br />
daß sie freiwillig die heilige Stätte nicht<br />
wieder hergeben wird. Und vom Standpunkte<br />
des Kriegsrechts hat sie ganz recht.<br />
Jetzt kommt noch die Frage der ägäischen<br />
Inseln dazu, und außerdem das unfertige neugeschaffene<br />
Albanien, über dessen Südabgrenzung<br />
und Thronbesetzung man sich in<br />
London noch wird die Köpfe zerbrechen<br />
muß. Ueberhaupt, der Sonderbarkeiten und<br />
der Nochniedagewesenheiten bietet die ganze<br />
*) Diese Ziffern sind der Schätzung eines<br />
Korrespondenten des „Corriere della sera" entnommen,<br />
der sämtliche Balkanschlachtfelder<br />
besucht hat. Die 500 000 Mann starke mobilisierte<br />
Armee Rumäniens ist nicht eingerechnet,<br />
da sie ja nur einen widerstandslosen Spaziergang<br />
gemacht hat.<br />
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