1913 - Det danske Fredsakademi
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DIEFßlEDEN5-^/ADTE 5 ;§><br />
Man darf tausend gegen eins wetten,<br />
daß, wenn diese Frage (der deutsch-französischen<br />
Verständigung) auf dem nächsten<br />
Kongreß der französischen Sozialisten diskutiert<br />
werden wird, dieser sich weder durch<br />
die Einwände Mistrals, noch durch die von<br />
Bracke oder Pressens6 aufhalten lassen wird.<br />
Diese alte Leier, daß die Kriege das Ergebnis<br />
des kapitalistischen Regimes sind, daß<br />
sie so lange dauern werden als dieses, hat<br />
die sozialistische Partei, leider, schon lange<br />
vor dem Kongreß^ in Brest hören müssen.<br />
Gewiß sind die wirtschaftlichen Konflikte<br />
Und Interessengegensätze in Europa<br />
und in den Kolonien — ungerechnet die<br />
chauvinistischen Herausforderungen der von<br />
den Kanonenhändlern und Panzerplattenlieferanten<br />
bestochenen kapitalistischen<br />
Presse — am Ursprung aller Kriege. Aber<br />
wie kann man wagen, wenn man die großen<br />
Nationalitätenkriege betrachtet, die das<br />
ganze 19. Jahrhundert mit Blut befleckt<br />
haben, sowie die nationalen Kriege, die soeben<br />
vor unseren Augen den Balkan ver-<br />
wüstet haben — um vielleicht morgen auch<br />
Zentraleuropa zu verwüsten — , wie kann<br />
man es wagen, sage ich, auf einem<br />
sozialistischen Kongresse diese<br />
grobe Auslegung des historischen<br />
Materialismus von Marx zu entwickeln,<br />
die nichts als eine groteske<br />
Verzerrung des Marxismus<br />
ist? Denn die Albernheit ist in der sozialistischen<br />
Partei doch hoffentlich noch<br />
nicht bis zu jenem Grade entwickelt, wo<br />
man uns glauben machen könnte, daß' man<br />
sich im Balkan einzig und allein für die serbischen<br />
Schweine geschlagen hat oder um<br />
den Kanonen- und Geschützhändlern Vergnügen<br />
zu machen. Es ist unmöglich, daß<br />
sie so blind ist, um nicht zu begreifen,<br />
welche tief populären und sentimentalen<br />
Gefühle beim Ausbruch der nationalen Leidenschaften<br />
in Serbien, Bulgarien, Griechenland<br />
und bis in das Liliputkönigreich des<br />
Brigantenkönigs von Montenegro hinein eine<br />
Rolle gespielt haben.<br />
Armer Marxismus. Wenn man ihn durch<br />
solche Argumente verteidigt sieht, wird man<br />
schließlich noch von ihm abgeschreckt. Die<br />
politische Oekonomie ist ein schönes Ding,<br />
aber unter einer Bedingung: sie darf in uns<br />
nicht alle psychologischen Beobachtungsgaben<br />
töten.<br />
Die ökonomischen Interessenverschiedenheiten<br />
sind eine augenscheinliche Ursache von<br />
Konflikten. Wer leugnet es ?<br />
Aber wie kann man so kurzsichtig oder<br />
blind sein, um nicht zu sehen, daß man sich<br />
nicht hauptsächlich für Interessenfragen<br />
schlägt, sondern für Gefühlsfragen ? An der<br />
Seite der Verbrechen gegen das Eigentum<br />
gibt es im Leben der Völker, wie im Leben<br />
378<br />
1<br />
der Individuen, auch die Verbrechen aus<br />
Leidenschaft, die<br />
Man schlägt<br />
weitaus häufigsten.<br />
sich selten um Geldfragen;<br />
die Geldgeschäfte können unter Nationen<br />
leicht durch Verträge geregelt werden. Dies<br />
ist wieder einmal durch<br />
zösische Abkommen über<br />
Kongo bewiesen worden.<br />
das deutsch-fran-<br />
Marokko und den<br />
Was schwieriger<br />
zu regeln ist, das sind die Fragen des Hochmuts,fühle.<br />
der Eitelkeit, der Eigenliebe und Ge-<br />
Die Angelegenheit Elsaß-Lothringens ist<br />
eine dieser Fragen.<br />
Sie hat in Frankreich eine so lebhaft<br />
schmerzliche Erinnerung gelassen, daß<br />
42 Jahre später, wo fast niemand mehr bei<br />
uns kaltblütig von einer bewaffneten Revanche<br />
zu sprechen wagt, jede Regierung, die<br />
mit dieser Erinnerung zu spielen wüßte, fähig<br />
wäre, das Land in die schlimmsten Abenteuer<br />
zu stürzen.<br />
Ich bin nicht ganz sicher, daß, wenn die<br />
sozialistische Partei zusammen mit der Allgemeinen<br />
Arbeitskonföderation das Volk<br />
einer Straßenmanifestation aufriefe, wo<br />
zu<br />
es<br />
einige Fußtritte und Säbelhiebe zu riskieren<br />
gäbe, ich bin nicht sicher, sage ich,<br />
ob wir in ganz Paris mehr als 10 000 wären,<br />
um diese immerhin minderwertige Gefahr<br />
zu laufen.<br />
Aber ich bin sicher, mit ganzer Sicherheit<br />
sicher, daß, wenn wir die sentimentale<br />
Saite<br />
Groll<br />
anschlagen, wenn wir geschickt<br />
und die Wunden der Eigenliebe<br />
den<br />
auszubeuten<br />
wissen, die durch die Annexion<br />
Elsaß-Lothringens und durch die Ungerechtigkeit<br />
dieses Attentats verursacht wurden,<br />
wir würden allein<br />
finden, bereit, ihr<br />
in Paris 50 000 Männer<br />
Leben zu riskieren, um<br />
diese nationale Demütigung zu rächen.<br />
Ich pflichte nicht bei.<br />
Ich stelle fest.<br />
Wie ich auch feststelle, daß der Marxismus<br />
zu beklagen wäre, wenn er uns mit<br />
Genossen Bracke zu dem Glauben verpflichtete,<br />
daß es ketzerisch und der gesamten<br />
kolonialen Auffassung der internationalen<br />
Sozialistenpartei zuwiderlaufend ist, eine<br />
Lösung des elsaßrlothringischen Problems' ins<br />
Auge zu fassen, die als Basis den Austausch<br />
Elsaß-Lothringens gegen ein großes Stück<br />
des französischen Kolonialreichs hat.<br />
Ohne Zweifel empfindet man einigen<br />
Widerwillen, nicht nur als Sozialist, sondern<br />
schon als einfacher Republikaner, jener Regierung,<br />
der man vorwirft, Elsaß-Lothringen<br />
1871 wie ein Stück Vieh behandelt zu haben,<br />
als Entgelt für die Befreiung der annektierten<br />
Provinzen afrikanische oder asiatische<br />
Bevölkerungen anzubieten, die man selbst<br />
schlimmer als Vieh behandelt hat. Und wir<br />
sind einige in der Partei, die gelegentlich<br />
des letzten gegen die Marokkaner verübten<br />
Raubzuges mehr getan haben als nur Reden<br />
gehalten, um ihre Ausraubung zu verhindern,