1913 - Det danske Fredsakademi
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DIE FRIEDEN5-WADTE 3<br />
kriegerischem1 Ruhm, sondern entweder nach<br />
raschem Erwerb oder nach technischer und<br />
sozialer Verbesserung in Eintracht mit den<br />
anderen Völkern. Diese Jugend hat jdie<br />
Berner Konferenz mit Freude begrüßt, und<br />
eine deutsch-französische Annäherung, die<br />
der ewigen el saß -lothringischen Frage und<br />
dem1 ewigen Wettrüsten ein Ende macht, erscheint<br />
ihr als das wünschenswerteste aller<br />
Ziele.<br />
Tolstoi und die Idee des<br />
universalen Friedens.<br />
Von<br />
Dr. Seufert-Wieber, Süchteln (Rheinl.)<br />
Das' Unausgebranntsein der Seele entscheidet<br />
letzten Endes über Aufnahme-<br />
befähigung wie Realisationskraft ideeller<br />
be-<br />
1 Werte. Unter diesem Gesichtswinkel<br />
trachtet, eröffnen sich damit der russischen<br />
Menschheit als der jüngsten und seelisch<br />
reichsten volklichen Gemeinschaft unermeßliche<br />
Perspektiven für die Inanspruchnahme<br />
der ethisch-religiösen Hegemonie und aller<br />
auf ihr sich gründenden und in ursächlichem<br />
Kontakte stehenden materiell-ökonomischen<br />
Momente innerhalb der Grenzen des Weltgeschehens.<br />
Zwar hat das russische Volkstum<br />
den tiefgreifenden Zwiespalt von, Materie<br />
und transzendentalem Sein, von Eigenvermögen<br />
und ethischer Notwendigkeit, von<br />
dumpf - ahnendem Hinleben und freier religiöser<br />
Erkenntnis noch nicht zu überwinden<br />
vermocht, doch liegt in der spezifischen<br />
rassenpsychologischen Veranlagung die<br />
sicherste Gewähr des Heraustretens aus<br />
diesem historisch-zufällig gewordenen Dualismus<br />
in die restlose Vereinigung der tief-<br />
sten nationalen, Urelemente und des voll-<br />
1<br />
endeten kulturellen BewußtWerdens als der<br />
Voraussetzung eines umfassen-<br />
den Friedens.<br />
Als mystische Unterströmung formlos<br />
dunkler Gefühlsqualitäten begegnet uns der<br />
Gedanke eines Volksgottesträgertums, der<br />
Grundlage einer auch in ihren Folgerungen<br />
rechtlich bestimmten, friedlichen Gemeinschaft<br />
— ein Gedanke, dessen verzerrt grobe<br />
Nachbildung der russische Autokratismus in<br />
der Heranbildung des panslavischen Gedankens<br />
bewußt zur Stärkung seiner Position<br />
durch die Einbeziehung volklicher Empfindungen<br />
festlegte — als immanente Idee des<br />
Slaventums überhaupt, wohingegen er frei<br />
schöpferisch sich zum1 erstenmal bei Leo<br />
Tolstoi in gewaltiger Konzentration kundgab.<br />
Es ist eine grundsätzliche Verkennung,<br />
die Betonung des universalen Friedens bei<br />
Tolstoi als zufällige, aus individueller Neigung<br />
hervorgerufene Teilerscheinung seiner<br />
Weltauffassung begreifen zu wollen, einer<br />
Teilerscheinung, die gegebenenfalls ohne<br />
254<br />
erhebliche Schädigung des Systems subtrahiert<br />
werden könne, da diese Idee nichts<br />
weniger als bloßer integrierender Bestandteil,<br />
vielmehr das a priori geforderte, alle<br />
Sphären durchsetzende, einigende und belebende<br />
Motiv repräsentiert.<br />
Die Frage eines weltumfassenden Friedens,<br />
die von Tolstoi nur im Zusammenhang<br />
mit sämtlichen prinzipiellen Kulturfragen anerkannt<br />
wird, insofern nämlich der Zustand<br />
zwischenstaatlicher Anarchie lediglich die<br />
„zynische Entblößung" der inneren geistigen<br />
Korruption darstellt, ohne deren Beseitigung<br />
auch sie nicht fallen wird, gelangt auch ohne<br />
die Einbeziehung eben dieser scheinbar<br />
indifferenten, abseits gelegenen Faktoren nie<br />
zu einer verläßlichen, nicht auf Interesse gegründeten<br />
befriedigenden Lösung.<br />
Das ist die gleiche Anschauung, zu der<br />
sich auch Alexander Herzen zum! Schlüsse<br />
seines Lebens bekannte, mit dem Unterschiede,<br />
daß sich ihm mit der Erkenntnis der<br />
Verflachung von Christentum und Revolution<br />
jede Aussicht verschlossen erweist und er<br />
angesichts dessen die Frage aufwirft<br />
,,Mit welch' einem1 vulkanischen Ausbruche<br />
menschlicher Persönlichkeit soll denn die<br />
Pöbelkultur zerbrochen werden ? Wo ist<br />
jener mächtige Gedanke, jener leidenschaftliche<br />
Glaube, jene heiße Hoffnung? Seht<br />
um euch, was vermag die Völker zu erheben<br />
?" Freilich gehörte schon die bewußt<br />
konzentrierte Universalität eines Tolstoi<br />
dazu, diese letzte Verzweiflung, dieses Unmöglichgemachtsehen<br />
jeder inneren Regeneration<br />
zu überwinden und eine Grundlage zu<br />
schaffen, die, im1 inneren. Selbst wurzelnd,<br />
imstande ist, eine Objektivationsmöglichkeit<br />
in Betracht kommen zu lassen.<br />
Der Ausgangspunkt Tolstoischer Betrachtungsweise<br />
ist die unwiderlegliche,<br />
historisch gewonnene Erkenntnis der in allen<br />
Staatsformen hervorragend ausgebildeten Vereinigung<br />
von Wahrheit und Freiheit einerseits,<br />
Lüge, politischer Willkür und Gewalt<br />
andererseits, die Erkenntnis des klaffenden<br />
Zwiespaltes, der zwischen Christentum und<br />
praktisch-tätigem! Leben, zwischen dem sozialen,<br />
christlich sein wollenden Kulturstande<br />
unserer Tage und seiner unchristlichen, ja<br />
antichristlichen Tendenz sich kundgibt. Ihm<br />
gegenüber stellt er die nicht nur persönliche,<br />
sondern auch zugleich soziale Realität des<br />
Christentums der Evangelien als Lebensgrundlage<br />
hin, die das Individuum1 wie seine<br />
Kollektivformen in gleichem Maße umfängt.<br />
Es ist ein leichtes, nach wohlbekannter Art<br />
das Tolstoische System eben in Hinsicht des<br />
universalen Friedens nach seinen „Uebertreibungen,<br />
Verschrobenheiten und Halbwahrheiten"<br />
richten zu wollen, ihm1 die Fähigkeit<br />
des kritischen Urteils und der ruhigen<br />
Analyse bis zu einem gewissen Grade abzusprechen,<br />
aber was will daS besagen ? Vergessen<br />
wir nicht, daß der Grund seines Han-